Saisonvorschau 2021/2022 – Dynamos Transfersommer

Nach dem Aufstieg ist vor dem Ligaalltag – nachdem die SGD nach einer turbulenten, dennoch am Ende halbwegs souveränen Saison 2020/21 den verdienten Aufstieg aus der 3. Liga in die 2. Bundesliga erreichte, ging das tagtägliche Fußballgeschäft nach einigen freien Tagen direkt weiter. Wie bereitet man sich nun am besten vor, um auch eine Liga höher zu bestehen? Ein bedeutender Aspekt in dieser Hinsicht ist die Kaderplanung. Hier ist meine Einschätzung dazu.

Rückblick – Der Aufstiegskader 

Im Sommer 2020 begann der sportliche Neuanfang der SGD in Liga 3. Wie nach einem Abstieg typisch, veränderte sich das Gesicht der Mannschaft deutlich. Zahlreiche Akteure, deren Verträge ausliefen oder nur für die zweite Liga galten, orientierten sich anderweitig. Nur einige wenige blieben an Bord der SGD – darunter einige junge Spieler mit großem sportlichen und finanziellen Potenzial und weitere erfahrenere, vereinsverbundene Jungs, die insgesamt zur neuen langfristigen Ausrichtung passten. 

Obwohl ein Abstieg logischerweise primär sowohl sportliche als auch finanzielle Nachteile mit sich bringt und die Vereinsentwicklung signifikant zurückwirft, liegt in ihm gerade im Hinblick auf die Kaderplanung eine große Chance. Mit einem klaren Cut und einem schnellen, gleichzeitig durchdachten Neustart lassen sich die Weichen für eine erfolgversprechende Zukunft stellen. Es gilt dann, möglichst schnell einen jungen und vielversprechenden Kader zusammenzustellen, der die SGD wieder nach oben bringt. 

Genau das hat Geschäftsführer Sport Ralf Becker geschafft. Mit einem im Ligavergleich deutlich überdurchschnittlichen Team, das zudem auch auf menschlicher Ebene sehr gut zusammenzupassen schien, hat man zu dieser Zeit meines Erachtens nach großartige Arbeit geleistet. Die sportlichen Leistungen des letzten Jahres sollten dies auch noch einmal unterstreichen. 

Man baute während der Aufstiegssaison auf einen klaren Kern von zwölf Stammspielern, unter denen sich zahlreiche junge Akteure befanden, die in dieser Spielzeit ihren Durchbruch schafften. Angreifer Ransford-Yeboah Königsdörffer mit seinen 19 Jahren ist dabei sicherlich als offensichtlichstes Beispiel zu nennen. Diese Achse wurde durch 17 weitere Spieler ergänzt, die aus verschiedensten Gründen seltener zum Einsatz kamen, dennoch ebenso essentiell für den sportlichen Erfolg des Teams waren. 

Insgesamt ergab sich so eine sinnvolle Mischung im Kader der SGD – hinsichtlich der Erfahrung heterogen strukturiert, hinsichtlich des Marktwerts und der Leistungsfähigkeit homogen und aufeinander abgestimmt. Betrachtet man sportökonomische Studien sind genau das günstige Bedingungen für sportlichen Erfolg – ein Aspekt, der bei Beckers Arbeit positiv bemerkenswert ist.

Altersstruktur der SGD 20/21 – Eine passende Mischung aus jungen und erfahrenen Akteuren.

Des Weiteren hielt ich auch den Umgang mit Verträgen für sehr sinnvoll. Alle langfristig angedachten Verpflichtungen waren bis 2022 gebunden – nicht zu lang, sodass der Verein keine zu großen finanziellen Verpflichtungen eingeht, jedoch auch nicht zu kurz, sodass der Verein den Kern seines Kaders in naher Zukunft wieder verliert. Die großen, etwas jüngeren Talente wie Innenverteidiger Kevin Ehlers band man zudem bis 2023. Kurzfristige Teamergänzungen wie Niklas Kreuzer erhielten dagegen nur einen Einjahresvertrag, damit die SGD auch da die größtmögliche Planungs- und Entscheidungsfreiheit innehält. 

Vertragsstruktur der SGD 20/21 – Sinnvolle und langfristige Planung.

Einzig bei der Betrachtung des Praktisch-Sportlichen könnte man eine leicht kritische Perspektive einnehmen. Denn zum Ende der Saison wirkte der Kader durchaus etwas unausgewogen. Das lag vorrangig daran, dass man zu Beginn mit einer 433-Grundordnung plante, im Saisonverlauf aber auf ein 343/3412-System umstellte. Dies war sportlich und auch bezüglich der Einbindung der Einzelspieler absolut logisch und verständlich, führte jedoch auch zu einem leichten Ungleichgewicht. Zum Beispiel in der Innenverteidigung geriet man einige Male in personelle Probleme, die man langfristig beheben sollte.

Insgesamt war Dynamo damit aber nach dem Wiederaufstieg in einer komfortablen Situation und konnte nun die Früchte der starken strategischen Arbeit im vorherigen Jahr ernten. Der Kader stand auf einer soliden qualitativen und quantitativen Basis, die nur noch einige wenige Ergänzungen brauchte. Kleine Unausgewogenheiten galt es zu korrigieren, abgesehen davon lief aber alles nach dem langfristigen Plan, was gerade in einer finanziell schwierigen Pandemiesituation von Vorteil ist.

Der Becker-Plan

Was war nun Ralf Beckers Plan in diesem Sommer? Die Gesamtsituation war trotz des stabilen Grundgerüsts auf jeden Fall nicht einfach. Mit Leihspieler Jonathan Meier und Julius Kade, dessen Rückkaufoption über 500.000€ vom 1. FC Union Berlin aktiviert wurde, verließen Dynamo zwei klare Stammspieler. Pandemiebedingte finanzielle Einschnitte schränkten zudem Dynamos Möglichkeiten ein. Nichstdestotrotz ging es darum, den Kader zweitligatauglich zu gestalten. Das bedeutet: Die schon bestehende Achse des Kaders galt es in dreierlei Hinsicht zu ergänzen. 

  1. Einerseits ging es darum, eben genannte Abgänge zu ersetzen. 
  2. Andererseits, die Qualität der zweiten Reihe zu erhöhen und diese an die neue Spielidee und 3er-Ketten-Grundordnung anzupassen. 
  3. Außerdem ging es natürlich auch darum, den Kader punktuell in der Spitze zu verstärken.

Und all das vor dem Hintergrund möglichst geringer finanzieller Ausgaben, einem langfristig vielversprechenden Plan und einer für sportlichen Erfolg sinnvollen Kadergesamtstruktur, das heißt unter anderem einer heterogenen Erfahrungsstruktur.

Dynamos Kader soll diesbezüglich in diesem Jahr primär auf der 3412-Grundordnung basieren, die man grundsätzlich auch schon in der vergangenen Saison spielte. Man will zudem auch immer mal wieder flexibel in einer 41212-Formation agieren. Genauer werde ich darauf nochmal in den kommenden Texten zur taktischen Herangehensweise Schmidts eingehen. Folgendes aber erstmal vorweg: Es macht keinen riesigen Unterschied, in welchem der beiden Grundordnungen Dynamo agiert. Vielmehr sind die Prinzipien und Abläufe meist dieselben. Es gibt nur geringe Unterschiede in der Ausgangslage: Der größte ist dabei logischerweise die Positionierung des zentralen Innenverteidigers bei einer 3er-Kette bzw. des Ankersechsers in einer 4er-Kette. Diese Veränderung führt zudem zu leichten Verschiebungen hinsichtlich der Außenverteidiger und Achter. So agieren bei einem 3412 Erstere etwas offensiver, während bei einer 4er-Kette die Achter weiträumigere Aufgaben übernehmen. 

Doch das sind wirklich nur minimale Unterschiede. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum man primär mit 3er-Kette zu planen scheint, obwohl für Trainer Alexander Schmidt eigentlich die Rautenformation typisch ist: Man spielt denselben Fußball, die 3412-Grundordnung passt aber besser zu den Einzelspielern der SGD. In dieser Hinsicht lassen sich beispielhaft die Sechser/Achter bei Dynamo nennen, denen für die richtige Raute etwas die Dynamik fehlt. Man müsste viele neue Spieler auf dieser Position verpflichten, um das auszugleichen. Agiert man mit höheren Außenverteidigern, die bei der SGD sowieso schon vorrangig offensiv denken, kommt dies sportlich und finanziell weniger zum Tragen und ist effizienter zu managen. 

Dynamos neuer Kader 2021/22

Hat das alles geklappt? Ich sage ja. Gehen wir es mal der Reihe nach durch:

  1. Wurden alle wichtigen Abgänge ersetzt?

Ja, die abgegebenen Stammspieler Meier und Kade werden beide ersetzt. Kades Platz nimmt nun der äußerst vielversprechende Achter Luca Herrmann ein, der ablösefrei zur SGD kam. Herrmann durchlief die starke Jugendarbeit des SC Freiburg und hat nun sehr wahrscheinlich das Zeug dazu, den nächsten Schritt zu gehen. Mit seinen Stärken in der Positionierung, Vororientierung, seinen smarten Körperfinten und Ballannahmen, seiner Aufdrehbewegung und sinnvollen Tiefenläufen kann er meines Erachtens nach nun schon jetzt die SGD im Zentrum verstärken. Klar lässt sich diskutieren, wie weit er schon ist. Doch unterschätzen sollte man ihn nicht, auch wenn er aus der Regionalliga kommt. Gerade bei Zweitvertretungen der großen Mannschaften schlummern häufig große Talente. Das ist schließlich ein weiterer positiver Faktor: Herrmann bringt im Hinblick auf sein Alter und weiteres Entwicklungspotenzial sehr spannendes Humankapital für Dynamo als Ausbildungsverein mit.

Der Platz von Meier ist noch die einzige offene Baustelle im Kader der SGD. Eine Verpflichtung eines weiteren Linksverteidigers, der sowohl im Pressing stark ist als auch Offensivdrang mitbringt, wäre für Dynamos Kader sowohl qualitativ als auch quantitativ essentiell und genießt daher höchste Priorität. Noch sind die Verantwortlichen auf der Suche, doch Sorgen mache ich mir dahingehend noch nicht. Es ist normal, dass sich der gesamte Transfermarkt in die Länge zieht – gerade in Zeiten von internationalen Wettbewerben und pandemiebedingten Einschränkungen. Auch gelegentliche Absagen von Spielern sind einzuberechnen. Schließlich sind Transfers hochkomplex und verlangen eine Einigung von drei oder sogar mehr Parteien mit jeweils verschiedenen Einzelinteressen.

  1. Wie hat sich die zweite Reihe entwickelt?

Die Planung der zweiten Reihe bei der SGD begann zunächst mit einigen Abgängen. Dazu wurden die Verträge von einigen weiteren Spielern, die in der Saison wenig zum Einsatz kamen und nun in Liga 2 nicht mit eingeplant werden sollten, nicht verlängert. Dazu zählen unter anderem Keeper Stefan Kiefer und Maximilian Großer. Auch die kurzfristigen Kaderergänzungen wie Marvin Stefaniak oder Leroy Kwadwo gehören dazu. Klar lässt sich beispielsweise bei Kwadwo diskutieren, ob er dem Kader nicht doch immer noch sportlich und menschlich gut getan hätte. Insgesamt kann ich aber jeden einzelnen Abgang dieser Art nachvollziehen. Man war überzeugt davon, qualitativ stärkere und langfristig vielversprechendere Akteure verpflichten zu können und nebenbei den Kader besser auszubalancieren – und genau das hat man auch getan. Vor allem mit Antonis Aidonis und Michael Akoto verpflichtete man flexiblere Spieler mit auch meiner Meinung nach höherem Entwicklungspotenzial. Die weiteren Abgänge machten vor allem Platz für Verstärkungen in der Spitze:

  1. Hat man sich in der Spitze verstärkt?

Dynamo hat es auch geschafft, sich in der Spitze zu verstärken. Mit Morris Schröter, Michael Sollbauer und Brandon Borrello kamen wiederum sehr flexible Akteure, die das Team definitiv mit großer spielerischer Erfahrung und Qualität bereichern werden. Schröter ist dabei als offensiv denkender Flügelverteidiger eingeplant, der stets die Breite gibt. Gerade mit Ball wird er so seine Dynamik, seine Tiefenläufe und seine starken und variantenreichen Flanken ausspielen können, auch wenn man vermutlich noch etwas an seinem Defensivverhalten arbeiten muss. Hinter Schröter wird Sollbauer absichern, ein extrem erfahrener und überdurchschnittlicher Zweitligainnenverteidiger, der den intensiven Schmidt-Fußball zudem schon vom FC Barnsley unter Valerien Ismael kennt. Ebenso passt Borrello als intensiver und körperlicher Offensivspieler zur SGD, der sowohl auf der 10 als auch den zwei Stürmerpositionen eingeplant ist und dort das Team mit kreativen Dribblings bereichern wird. 

  1. Wie sieht die Kadergesamtstruktur aus?

Insgesamt kommt man so auf einen wirklich runden Kader. Mit nicht zu großen finanziellen Aufwendungen hat man es geschafft, den bisher schon starken Kader noch einmal auf ein anderes qualitatives Level zu heben und nebenbei auch die Zukunftsaussichten zu erhöhen. Jede Position ist doppelt besetzt und mit sehr flexiblen Spielern lassen sich nun die beiden vom Coach priorisierten Grundordnungen spielen.

Kaderübersicht der SGD – Primär agiert man in einer 3412-Struktur.
Kaderübersicht der SGD – Sekundär kann zudem auf eine 41212-Grundordnung zurückgegriffen werden.

Des Weiteren passt auch die Alters- und Erfahrungsstruktur. Einige junge und damit sportlich und finanziell spannende Spieler, die damit perfekt in die Vereinsstrategie passen, wurden ergänzt mit einigen erfahrenen Akteuren, die das Team anleiten können.

Das gesamte Vorgehen ergibt daher für mich komplett Sinn. Man bringt einen klaren Stamm aus dem letzten Jahr mit, dem man es zutraut, die nächsten Schritte zu gehen. Diesbezüglich sehe ich Spieler wie beispielsweise Knipping, Will, Stark, Mörschel und Daferner absolut in Liga 2. Diesen Kern hat man nun punktuell noch weiter verbessert und nebenher auch die zweite Reihe günstig angepasst und mit vielversprechenden Jungs ergänzt. Ich persönlich sehe ehrlicherweise nicht, wie der Kader noch besser hätte aussehen können. Weitere Verstärkungen in der Spitze gehen natürlich immer, aber wäre das finanziell und sportlich möglich und sinnvoll gewesen? Hinsichtlich der Breite hätte man sich natürlich auch erfahrenere Spieler auf die Bank setzen können. Diese hätten dann aber bei einer sportlich ähnlichen Rolle sicher etwas mehr Geld verlangt und würden zudem in einigen Jahren wieder einen Umbruch nötig machen. Ich präferiere dann lieber die langfristige und vielversprechende Option, gerade weil Name, bisherige Liga und Vergangenheit nicht zwingend Leistung in der Zukunft bedeuten.

Fazit

So agierte die SGD in diesem Sommer insgesamt mit Weitsicht, Ruhe und Geduld und baute so wiederum einen sportlich, finanziell und charakterlich stimmigen Kader. Auch wenn das manchmal etwas länger dauert als erhofft, ist es das, was die Wahrscheinlichkeit für sportlichen Erfolg erhöht. Das Grundgerüst für die 2. Bundesliga steht. Jetzt kommt es auf den Trainer an und darauf, wie er dieses einsetzt und weiterentwickelt. Morgen schauen wir uns an, wie er das bisher getan hat. 

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