
5. Legendenstammtisch: Von Aberdeen bis Stuttgart
Am Montag, dem 15. April, fand im Rudolf-Harbig-Stadion unser 5. Legendenstammtisch statt. Eingeladen hatten wir die drei ehemaligen Spieler Andreas Trautmann, Hans-Uwe Pilz und Torsten Gütschow. Gemeinsam mit MDR-Moderator Andreas Fritsch blickten die drei Protagonisten mit uns auf eine der erfolgreichsten Spielzeiten der Sportgemeinschaft zurück. In der Saison 1988/89 erreichte die SGD im UEFA-Cup zum ersten und einzigen Mal ein europäisches Halbfinale und gewann zudem ihren siebenden Meistertitel.
Die etwa 80 anwesenden Besucher tauchten für etwa zwei Stunden in die glorreiche Vergangenheit der Sportgemeinschaft ein. In Ausschnitten schauten sich alle noch einmal die besten Szenen aus den Europapokalspielen gegen Aberdeen, Waregem, Rom, Bukarest und Stuttgart an. Zu jeder Spielrunde hatten die Dynamo-Legenden anschließend interessante Stories zu erzählen. Dabei kam auch die eine oder andere bisher noch nicht so bekannte Anekdote zum Vorschein.
Schotten dicht gegen Aberdeen
Los ging die erfolgreiche EC-Saison gegen den FC Aberdeen aus Schottland. Der Verein gewnn in den 1980er Jahren mehrere Titel, unter anderem auch den Europapokal der Pokalsieger 1983. „Gegen Aberdeen war natürlich auch viel Glück dabei“, gab Andreas Trautmann zu, „aber wir haben dort als Truppe bestanden“. Für Torsten Gütschow war vor allem das „aggressive und leidenschaftliche Spiel“ der Dynamo-Elf und der Wille ausschlaggebend, um diese „Sensation zu schaffen, obwohl vorher niemand mit uns gerechnet hat“. Die Reisen zu den internationalen Auswärtsspielen waren besonders. Hans-Uwe Pilz verriet, dass die Vorfreude bei anstehenden Fahrten ins kapitalistische Ausland sehr groß war. „Zwar haben wir nicht viel von Stadt und Land gesehen, doch im Vergleich zu mancher Fahrt nach Osteuropa waren das für uns meist sehr schöne Erlebnisse“.
Gütschow nervenstark vom Punkt
In der zweiten Runde traf Dynamo dann auf den belgischen Vertreter KSV Waregem, der zwei Jahre zuvor auch schon das Halbfinale im UEFA-Cup erreicht hatte. Nach einem deutlichen 4:1 im Hinspiel zuhause führten die Belgier plötzlich kurz nach der Pause mit 2:0. Bei einem weiteren Tor der Belgier drohte das Aus. Doch Dynamo bekam einen Strafstoß zugesprochen. Torsten Gütschow, einer der sichersten Elfmeterschützen in der Vereinsgeschichte, erzielte vom Punkt den wichtigen Anschlusstreffer. „Trotzdem ging mir dort ganz schön die Buchse, weil es sonst schwer geworden wäre, wenn ich nicht getroffen hätte“, gab er beim Legendenstammtisch zu.
Trautmann stellte Völler kalt
Im Achtelfinale trafen die Schwarz-Gelben dann auf den AS Rom, der mit guten Spielern gespickt war. Vor dem Hinspiel hatte es in Dresden am Tag zuvor geschneit. Das letzte Training der Italiener auf dem Hartplatz am Stadion konnten die Dynamo-Spieler mitverfolgen. „Auch für uns war es dann aber nicht angenehm, weil der Ball rutschte oder einfach liegen blieb“, erzählte Andreas Trautmann aus seinen Erinnerungen. „So oft hatten wir ja auch noch nicht auf Schnee gespielt, aber am Ende haben wir unsere Sache ja ganz gut gemacht.“ Das 2:0 im ersten Spiel war laut Fernsehreporter damals ein „Zeugnis gewachsener Reife und Spielstärke“.
Im Rückspiel lieferte Trautmann als Verteidiger ein überragendes Spiel gegen Rudi Völler ab. „Und wenn du so einen guten Mann in der Spitze rausnimmst, hast du schon die halbe Miete drin“, lobte Champi aka Hans-Uwe Pilz seinen ehemaligen Mitspieler. Torsten Gütschow nannte einen weiteren Grund für das erfolgreiche Abschneiden. „Wir wurden unterschätzt. Wir haben gut verteidigt, aus den wenigen Chancen viel gemacht und am Ende verdient gewonnen. Es hat in diesem Jahr alles gepasst, weil wir als Mannschaft zusammengehalten und gekämpft haben.“
Üble Auswärtsfahrt für Mannschaft und Fans
Im Viertelfinale traf Dynamo dann auf Viktoria Bukarest, den vermeintlich leichtesten Gegner im noch laufenden Wettbewerb. „Die Wahrscheinlichkeit lag etwas näher, dass wir es vielleicht schaffen können im Vergleich zu Neapel, Juventus oder den Bayern“, sagte Hans-Uwe Pilz. „Allerdings war die Auswärtsfahrt nach Rumänien übel. Da hingen im Hotelzimmer die Kabel von der Decke.“ Ein Dynamo-Fan, der damals auch im Stadion dabei war, gab dazu noch einen kurzen Einblick in die ebenfalls katastrophalen Bedingungen für die mitreisenden Fans. Nach dem 1:1 in Bukarest waren die Dynamo-Spieler voll motiviert, im Heimspiel vor 36.000 Fans den Einzug ins Halbfinale perfekt zu machen. „Das Ergebnis hat uns für das Rückspiel natürlich Druck gegeben, denn wir wollten weiterkommen“, erzählte Pilz. „Jeder hat alles gegeben, das war der Grundstein für den Erfolg.“ Mit einem deutlichen 4:0 gelang damit der größte Erfolg des Vereins auf der internationalen Bühne.
Pilz spielte mit Mittelfußbruch
Im Halbfinale wartete schließlich der VfB Stuttgart. Es waren zwei knappe Begegnungen. Auf dem Legendenstammtisch verriet Mittelfeldstratege Hans-Uwe Pilz, dass er im Rückspiel in Dresden mit einem gebrochenen Mittelfuß durchspielte. Die Verletzung zog er sich wenige Tage zuvor bei einem Länderspiel der DDR zu. „Mit Spritzen konnte ich irgendwie auflaufen und durchhalten. Danach war die Saison für mich allerdings beendet.“ Das mögliche Finale hätte also ohne Pilz stattgefunden. Dynamo konnte sich jedoch nicht gegen die Schwaben durchsetzen. „Uns fehlte ein Auswärtstor und wahrscheinlich auch der gesperrte Ulf Kirsten“, resümierte Torsten Gütschow, der sich trotz Ausscheiden mit sieben Treffern die Torjägerkrone in diesem EC-Wettbewerb sicherte.
Mitschnitt im Podcast bei Welle1953
Im Podcast von welle1953.net kannst Du den vollständigen Mitschnitt der Veranstaltung mit unseren Gästen noch einmal mithören.
Zum Finale beim 5. Legendenstammtisch blickten Pilz, Trautmann und Gütschow auf die aktuelle sportliche Situation des Vereins. Alle drei waren sich einig, dass die aktuelle Dynamo-Mannschaft den so wichtigen Klassenerhalt schaffen kann, wenn sie Einsatzwillen und Leidenschaft an den Tag legt.
Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Unterstützern und Helfern, die zum Gelingen des Abends beigetragen haben.