
Hamburger SV – SG Dynamo Dresden: Spielanalyse
Nach einem turbulenten Spiel gegen den Hamburger SV geht die SGD mit einem Punkt nach Hause. Das war ein schwieriges Spiel, mit dem Ergebnis am Ende kann Dynamo aber zufrieden sein. Hier sind einige taktische Beobachtungen.
Hamburg als schwieriger Gegner
Im Gegensatz zum FC aus Ingolstadt in der letzten Woche (für den Spielbericht siehe den letzten Blogpost) stand Dynamo mit dem HSV nun ein deutlich schwieriger Gegner entgegen. Dieser gilt zuweilen als einer der Aufstiegsfavoriten der Liga. Mit Tim Walter als Trainer spielt dieser auch einen besonderen Fußball:
Strategisch ist der HSV auf die Spielphase Ballbesitz fokussiert und fällt dabei durch eine sehr besondere Spielweise auf. In einem insgesamt fluiden Positionsspiel agiert man besonders im Spielaufbau sehr flexibel, lässt vor allem die Innenverteidiger oft und dynamisch aufrücken. Auch wenn sie mir im letzten Drittel teils zu durchschnittlich agieren, viel Flügelspiel dabei haben, spielen sie damit durchaus dominant und souverän in Liga 2. Für Dynamo stellte sich daher die Frage: Wie kontern wir dieses Konzept?
Dynamos fehlgeschlagener Pressingplan
Trainer Schmidt ließ Dynamo, wie auch schon in den vorangegangen Spielen, in einem hohen Rautenpressing agieren. Etwas tiefer als normal, dennoch ziemlich hoch, erwarteten Dynamos Stürmer den Spielaufbau der Hamburger. Um die dynamischen Bewegungen und Rochaden des tiefen Aufbaupersonals zu kontrollieren, agierten diese durchaus abwartend, liefen nicht direkt an, sondern versuchten, das Zentrum zu schließen.
Nichtsdestotrotz war der HSV häufig in der Lage, dieses Pressing zu überspielen. Denn: Die Struktur der SGD passte nicht zur gegnerischen Spielweise, kam ihr vielmehr sogar entgegen. Naturgemäß befinden sich schließlich große freie Räume auf beiden Seiten der Raute. Der HSV, der in einer 433-artigen Struktur agierte und die Flügel (zum Beispiel mithilfe von herauskippenden Achtern) immer wieder überlud, konnte genau dort kombinieren. Dynamos 4er-Kette wurde durch die drei breiten und hoch stehenden Stürmer des Gegners zurückgedrängt, die drei Stürmer bewegten sich vorn zentral und eng. So war Dynamo in jenen Flügelregionen häufig in Unterzahl. Der ballnahe Achter musste herausschieben, öffnete währenddessen aber wiederum Räume im Halbraum, die der HSV über beispielsweise fallende Stürmer, herausrückende Innenverteidiger oder horizontal andribbelnde Außenverteidiger bespielen konnte. Schob die SGD mal mit dem gesamten 3er-Mittelfeld auf die ballnahe Seite, um so den Raum dort zu verknappen, gab man wiederum auf der ballfernen Seite Möglichkeiten für eine Verlagerung frei.



Insgesamt hatte die SGD daher große defensive Probleme, gerade in der Anfangsphase. Die Struktur passte schlichtweg nicht. Außerdem kam hinzu, dass einige Akteure zu Beginn sehr unsauber agierten. Hier ist Rechtsverteidiger Schröter ein gutes Beispiel, der meiner Meinung nach individualtaktisch einige Unsicherheiten im defensiven Stellungsspiel und Zweikampfverhalten offenbarte. So kassierte man am Ende das verdiente 1:0 und konnte froh sein, dass der HSV im letzten Drittel nicht so komplett agierte wie in den anderen beiden Spielteilen.
„Stabilität“ ab Minute 30 und weitere Probleme
Im Laufe des Spiels kämpfte sich die SGD ins Spiel, wie Schmidt es später ausdrückte. In Hälfte 1 war man zumindest in der Lage, sich individuell zu stabilisieren. So musste der HSV schon etwas mehr arbeiten, um in Richtung Tor zu gelangen. Trotzdem blieben die strukturellen Probleme offensichtlich, präsent und gefährlich.
Aus Dynamo-Sicht kam auch noch dazu, dass man dem Gegner auch in den anderen Spielphasen unterlegen war. Das Umschaltspiel wirkte gegen ein starkes Gegenpressing zu hektisch und war daher wirkungslos, da die Tiefenläufe nicht abgestimmt waren oder nicht erreicht wurden. Wenn man mal den Ball hatte, ging es gegen das mannorientierte Rautenpressing der Hamburger zudem zu häufig planlos lang. Häufige Longline-Bälle (für eine Erklärung siehe Saisonvorschau Spielweise #2) führten zu schnellen Ballverlusten und noch größerer gegnerischer Dominanz.
Dynamos Anpassungen in der Halbzeit
Defensive
In der Halbzeit galt es für das Trainerteam nun, die strukturellen Probleme der SGD zu lösen. Ich hatte mir zu diesem Zeitpunkt gewünscht, dass man sich etwas tiefer zurückzieht, die Flügel mehr kontrolliert und den Fokus auf das Verteidigen im und Kontern aus dem tiefen Block fokussiert. Doch Schmidt hatte eine andere Idee. In Halbzeit Zwei waren nun für mich zwei verschiedene Pressingpläne zu erkennen.
Situativ, gerade wenn der HSV in sehr tiefen Zonen aufbaute (beispielsweise bei einem Abstoß), agierte die SGD in einem hohen mannorientierten 4Raute2-Angriffspressing, was typisch für Schmidt ist. Das funktionierte jedoch selten, aus den selben Gründen wie in der ersten Hälfte. Zu leicht gelang es dem HSV, die Stürmer und Achter durch flexible Bewegungen und sichere Kombinationen zu überspielen. Deswegen konnte ich persönlich nicht so richtig verstehen, warum Dynamo diesen Plan verfolgte. Denn ein unabgestimmtes Pressing verbraucht nur unnötige Energie und gibt dem Gegner dann Raum, die übrigen Verteidiger zu bespielen.
Dafür war die zweite, häufiger genutzte Idee für das Pressing die bessere. Strukturell agierte man ähnlich, veränderte aber entscheidende Details. Das 433 zog sich noch enger zusammen und versuchte noch deutlicher (und diesmal auch etwas erfolgreicher), das Zentrum zu schließen. War der Gegner auf dem Flügel, schob man aggressiver (vor allem die Außenverteidiger) heraus und versuchte so, die Kombinationen des HSV zu verhindern. Insgesamt schien es, als hätte Schmidt eine höhere Intensität in den Einzelduellen gefordert. Auch die drei Stürmer der SGD waren dafür ein gutes Beispiel, die etwas höher und aggressiver anliefen.

So konnte Dynamo die Hamburger Durchbrüche zumindest quantitativ reduzieren. Die Probleme wurden situativ immer noch deutlich, es klappte definitiv nicht alles. Doch spätestens in der Endverteidigung der Box agierte Dynamo überzeugend (oder der HSV etwas zu einseitig, wahrscheinlich beides). Insgesamt hatte Hamburg immer noch einige progressive Aktionen dabei, schien gerade nach der Meffert-Auswechslung so aber etwas weniger fluide und gefährlich im Aufbau und Übergang. Das spielte Dynamo in die Karten.
Offensive
Um auch selbst etwas Torgefahr zu kreieren, brachte Trainer Schmidt zur Halbzeit des Weiteren Panagiotis Vlachodimos aufs Feld. Der interpretierte die linke Stürmerrolle etwas direkter und dynamischer als der eher balltreibende Brandon Borrello in Halbzeit Eins, was Dynamos Konterfokus unterstützte. Nach Ballgewinn konnte man so öfter und auch erfolgreicher umschalten. Vlachodimos attackierte sofort (und mit besserem Timing) die Räume zwischen gegnerischem Außen- und Innenverteidiger und war so maßgeblich an einigen gefährlichen Aktionen beteiligt. Im Großen und Ganzen passte er individualtaktisch besser in die strategische Spielanlage beider Teams.

Spielende und Fazit
Am Ende entwickelte sich das Spiel dann in eine etwas chaotischere Richtung. Hamburg sah viel vom Ball, attackierte das letzte Drittel der SGD, scheiterte aber an einem am Ende über weite Strecken solide organisierten tiefen Block und individualtaktisch auftrumpfenden Einzelspielern (Tim Knipping, Michael Sollbauer, Kevin Broll). Dynamo konterte situativ, wurde aber selten gefährlich. So geht das Spiel am Ende unentschieden aus.
Für die SGD geht dieser Punkt letztendlich auch absolut in Ordnung. Aufgrund der angesprochenen strukturellen Schwächen hätte man sich auch nicht beschweren dürfen, wenn man gegen den HSV verloren hätte. Dies würde ich im Verantwortungsbereich des Trainerteams verorten. Am Ende findet Trainer Schmidt aber ganz ordentliche Anpassungen, die das intensiv kämpfende Team am Ende zu einem Punkt bringen. Als Aufsteiger in der Entwicklung gegen einen sehr starken Gegner, der vermutlich noch viele Gegner in diesem Zweitligajahr dominieren wird, ist das ziemlich okay. Nicht überragend, aber auch nicht schlecht.