Hannover 96 – SG Dynamo Dresden: Spielanalyse

Ein Punkt steht am Ende des Sonntagsspiel der SGD gegen Hannover 96. Ein gewonnener Punkt, wenn man den Spielverlauf betrachtet. Mir persönlich bleiben nach dieser Performance einige Fragezeichen. Schauen wir aber mal auf einige strategisch-taktische Aspekte.

Ein stärkerer, weil klarer Gegner

Im Vergleich zum Hinspiel traf die SGD auf einen Gegner, der dieses Mal klarere Ideen sowohl mit als auch ohne Ball verfolgte. Eine hervorzuhebende Gefahr der Hannoveraner sind neben der individuellen Qualität vor allem die ständigen klugen Tiefenläufe der (Flügel-)Stürmer in Ballbesitz- und Kontersituationen. Was macht Dynamo dagegen?

Dynamos Pressing: Individuell stark, strukturell teils anfällig

Dieses Mal liefen die Dresdner den Gegner weniger hoch und intensiv an. Nach Rückpass und bei Abstoß schob Dynamo aus der Raute heraus in bekannter Weise weit durch, um das Spiel auf den gegnerischen Außenverteidiger zu lenken. Über weite Strecken klappte das gewohnt griffig.

Häufig ließ man Hannovers Spielaufbau jedoch in erster Linie frei laufen und zog sich in ein tieferes Mittelfeldpressing zurück. Die eng positionierten Stürmer der Raute sollten die Kombinationen nach außen lenken, sodass der Raum dort durch die Mittelfeldspieler zugeschoben werden kann (in erster Welle durch den 8er, der auf den AV rückt).

Individuell haben die Spieler der SGD diese Struktur meiner Meinung nach ordentlich bis ziemlich gut umgesetzt. Gerade die defensive 4er-Kette verteidigte (vor allem zu Spielbeginn) mit passender Intensität offensiv nach vorne und das erfolgreich.

Auf struktureller Ebene ergab sich dennoch ein Problem für Dynamo. Hannovers tief stehende Außenverteidiger lockten Dynamos Achter weit aus dem Zentrum. So ergaben sich zwischen den Linien gefährliche Räume für die Niedersachsen, vor allem in den Halbräumen. Das machte die Raumkontrolle für den in dieser Rolle ungewohnten, dennoch insgesamt solide spielenden 6er Mörschel ungemein schwer. Die 4er-Kette musste so meist als einzelne Einheit verteidigen (aber (!) tat dies über weite Strecken auf individueller Basis sehr gut).

Dynamos Pressing – Potenzielles Beispiel für die strukturellen Schwächen.
Dynamos Pressing – beispielhafte Szene vor Akotos Platzverweis, in der die strukturellen Schwächen der Raute ausgespielt werden.

Dynamos Konterspiel: Kollektiv und individuell schwierig

So kassierte Dynamo in der ersten Hälfte noch wenig klare Torchancen, obwohl sich Hannover ein paar Mal in höhere Zonen kombinieren konnte. Allerdings sah das auf der anderen Seite des Feldes genauso, wenn nicht sogar noch deutlicher aus.

Durch das tiefere und strukturell etwas anfälligere Pressing gelang es Dynamo vergleichsweise seltener, gefährliche Ballgewinne zu erzielen. Wenn, dann gelang das nur in tiefen Zonen, von wo die Konterwege sehr weit wurden. 

Zudem schienen auch die Offensivbewegungen der Stürmer weniger aufeinander abgestimmt. Meist fehlte die Verbindung von Ballführendem zu den direkten Tiefenläufen der Stürmer. Dazu kam außerdem eine Reihe an ungünstigen Entscheidungen der Spieler.

Dynamos Ballbesitz: Theoretisch gute Struktur, aber die wird nicht genutzt

Diese Probleme durchzogen auch Dynamos Ballbesitzspiel im bekannten 433. In den ersten Aktionen hatte ich den Eindruck, dass man mit tief kommenden 8ern die 6er des Gegners herauslocken und daraufhin das Pressing mit einem Chipball auf Daferner überspielen wollte. 

Dynamos Ballbesitzspiel – grundsätzliche Idee im 433.

Zu Beginn probierte man das zumindest ein paar Mal. Dabei kam der SGD entgegen, dass Hannovers Stürmer Teuchert weit herausstach, 10er Kerk Mörschel verfolgte und die Flügel sehr breit standen (um das Spiel nach innen zu lenken). So hatten die 8er viel Raum auf der Halbspur, in den sie fallen und den Gegner mitziehen konnten.

Diese (zumindest potenziellen räumlichen) Möglichkeiten schlossen sich jedoch schon nach einigen Minuten. Teuchert zog sich etwas weiter zurück, genauso rückten Hannovers Flügel situativ enger ein. So entstand eine sehr kompakte 442-Staffelung, in der die Räume einfach verknappt werden und so auch Dynamos typische Bewegungen weniger Effekt entfalten konnten. 

Dynamos Ballbesitz – Hannover in kompakterer Staffelung.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Dynamo diese eigentlich vielversprechende Struktur schon grundsätzlich zu selten auszuspielen versuchte. Einerseits blieben dieselben Schwächen wie im Umschaltspiel präsent. Andererseits versuchte man im Laufe des Spiels auch immer seltener, überhaupt diesen Weg zu wählen, spielte lieber schnell den langen Ball.

2. Halbzeit: Mehr Dresdner Ballbesitz, mehr Gefahr durch Hannover

Die zweite Spielhälfte kippte die ausgeglichene Ballbesitzstatistik und Spielphasenverteilung klarer in eine Richtung. Hannover spielte nun nahezu komplett in ihrem Mittelfeldpressing und überließ Dynamo den Ball.

So kamen zum einen Dynamos Schwächen mit Ball stärker und häufiger zum Tragen. Zum anderen konnte Hannover so, ihre erwartete Konterstärke ausspielen.

Einige Male waren sie so über ihre klugen und gefährlichen Tiefenläufe in der Lage, gefährlich vor das Dresdner Tor zu gelangen. Dynamos Abwehrkette agierte immer noch weitgehend solide, dennoch war die hohe Aktionenanzahl zum Beispiel eines Beiers irgendwann eine bedeutende Gefahrenquelle. Spielt Hannover diese Situationen vor dem Tor noch etwas besser aus oder hat man selbst etwas mehr Pech, verliert die SGD das Spiel.

(Ich persönlich hatte aber auch das Gefühl, dass Hannover das Spiel eigeninitiativ noch klarer gestalten hätte können. Mit etwas mehr Dominanz und Ballbesitz, gerade in der zweiten Hälfte, hätte ich mir durchaus ein noch größeres Chancenplus mit letztlich zwingendem Tor vorstellen können.)

Fazit

Am Ende nimmt Dynamo so aber einen glücklichen Punkt aus Hannover mit. Nach dem Spiel gegen Hamburg in der letzten Woche schrieb ich folgenden Satz: „[Es bleibt] spannend, wohin die weitere Entwicklung gehen wird, besonders in Spielen gegen taktisch andere Mannschaften.“ Dieser lässt sich zusammenfassend auch auf dieses Spiel übertragen.

Defensiv agierte Dynamo solide, das Pressing war trotz der angesprochenen Schwächen weitgehend in Ordnung. Gleichzeitig bleibt aber gegen einen weniger proaktiven und ballbesitzfokussierten Gegner das Thema „Abläufe in Ballbesitz(/Konterspiel)“ ein Thema. 

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