FC Hansa Rostock – SG Dynamo Dresden: Spielanalyse

Dynamos bester Zweitligastart der Geschichte geht nun auch an diesem Wochenende positiv weiter. Im Derby gegen Hansa Rostock stimmt das Ergebnis absolut, das Spiel war jedoch eher nicht so überzeugend wie bisher. Hier erkläre ich, warum ich das so sehe. 

Aufstellungen und Strategie

Dynamo ging das Spiel am Samstagabend genauso an wie in den Wochen zuvor. Warum auch etwas ändern, wenn es bisher so gut lief. Aus der typischen Rautenformation heraus agierte man strukturell und strategisch wie immer: hohes Pressing, brutale Intensität und Fokus auf Umschaltspiel.

Im Gegensatz zu den bisherigen Spielen traf die SGD dieses Mal aber auf einen Gegner, der das Spiel ebenfalls primär mit riesiger Intensität zu prägen versucht. Aus einem 4231 heraus agierte Rostock strukturell flexibel, presste hoch und intensiv, versuchte genau wie Dynamo schnell umzuschalten und so Gefahr zu kreieren.

Emotionale Anfangsphase

Damit musste sich die SGD nun auf eine ganz andere Spielanlage einlassen. Bisher traf man auf Gegner, die tendenziell eher weniger damit klar kamen, dass Dynamo in allen Spielphasen und Situation durch ihre Intensität und risikoreiches Spiel großes Chaos erzeugen will. Nun kam mit Rostock ein Gegner, der selbst ähnlich agiert und grundsätzlich deutlich weniger Probleme mit einem solchen Stil des Kontrahenten hat.

Verbunden mit der besonderen Stimmung auf den Rängen entstand so eine sehr emotionale Anfangsphase. Gerade in den ersten 10min bestand das Spiel fast nur aus riesiger Intensität, direkten Zweikämpfen, langen Bällen und Unterbrechungen. Viel Kampf, wenig Präzision und Kontrolle. Beispielhaft war dafür das Tor zum 1:0 für Dynamo, das aus einer chaotischen Situation mit fünf Kopfballduellen hintereinander und einem minimalen Stellungsfehler der Rostocker Innenverteidiger resultierte.

Dynamos Plan 

Erst nach einigen Minuten beruhigte sich das Spiel etwas, sodass die Pläne und Strukturen beider Mannschaften einiger Maßen sichtbar wurden. Dynamo agierte auch im Detail ähnlich wie in den Wochen zuvor. Auf das Spiel mit Ball wurde wenig Wert gelegt. Positioniert im engen 433 war kontrollierter flacher Aufbau von hinten schwierig. Vielmehr versuchte man, durch die enge Positionierung der Stürmer eine gute Struktur für lange und zweite Bälle zu schaffen. 

Baute Rostock tief auf (Abstoß), lief Dresden im Angriffspressing hoch an und lenkte den Gegner durch bogenförmiges Anlaufen nach außen, um hohe Ballgewinne zu erzielen oder lange Bälle zu erzwingen. Teils stand Dynamo auch in einem etwas tieferen Pressing. Dabei versuchte man aus der Rautenformation heraus, die Rostocker nach innen zu lenken, um dort dann mit der engen Raute im Zentrum Bälle abzufangen oder die direkten Zweikämpfe zu gewinnen. Hätte das geklappt, wären schnelle direkte Konter über die drei Angreifer möglich und gefährlich gewesen.

Erste Strukturen und Vorteil Rostocks

In HZ1 hat dieses Pressing aber nicht geklappt. Dynamos Spieler kamen nicht so intensiv in die Zweikämpfe wie sonst. Woran lag das?

Rostock war im Spiel mit Ball gut auf die Dresdner eingestellt. Mit viel Personal in hohen Zonen (ballnaher Achter schiebt in die letzte Linie) spielten sie zunächst einige Male gute lange Bälle, mit denen sie schnelle Spieler wie Mamba in die Tiefe schicken oder ebenfalls chaotische Situationen um den zweiten Ball kreieren konnten. Für Ersteres ist das Gegentor durch Mamba ein gutes Beispiel.

Dynamos Pressing und Rostocks lange Bälle – Systematik

Abseits davon konnte man erkennen, dass sie häufig auch durchaus flach und dynamisch kombinieren wollten – und gerade dann wurde es gefährlich. In einer 433-artigen Struktur blieben die 4er-Kette und das Mittelfeld tief. Die Achter positionierten sich nahe den Außenverteidigern sehr breit und überluden so die Flügel. Ähnlich wie gegen den HSV bereitete das Dynamo Probleme, da die Anlaufwege für die Raute sehr weit waren, direkte Zweikämpfe teils nicht möglich waren und leicht Lücken beim Ver- und Durchschieben entstehen konnten. So war es Rostock einige Male möglich, sich über die Flügel in den Halbraum zu kombinieren und von dort in die Tiefe zu kommen. 

Rostocks Ballbesitz – Überladungen des Flügels

Dynamos Anpassungen und Konter

Die dadurch entstehende Rostocker Dominanz führte zu einer Umstellung Schmidts, die wir auch schon im letzten Spiel gegen Hannover beobachten konnten. Ungefähr ab Minute 35 presste Dynamo nun aus einer 451-Struktur heraus, um die vorher freien Räume neben der Raute besser kontrollieren zu können. 

Dynamos angepasstes Pressing im 451

Damit wurden jedoch die Möglichkeiten mit Ball für die SGD noch kleiner. Mit nur einem Stürmer und Flügeln, die ihre Gegenspieler bis weit in die eigene Hälfte verfolgen mussten, fehlte für erfolgreiches Konterspiel das Personal, welches direkt die Tiefe attackieren konnte. Mörschel als alleinige Spitze wirkte trotz ordentlichen Ablagen mit dem Rücken zum Tor etwas isoliert. 

Gegentor durch Mamba

Dieses Pressing brachte noch ein weiteres Problem mit sich. Man bekam zwar mehr Zugriff auf den Flügeln, doch wenn Rostock wiederum zu den klugen langen Bällen griff, hatte man weiterhin Probleme. Denn gerade mit den etwas weniger defensiv denkenden Mörschel an vorderster Front und Königsdörffer im rechten Mittelfeld verfiel Dynamo einige Male in gefährliche Passivität. Gepaart mit individuellen Stellungsfehlern zeigt das beispielsweise das Gegentor durch Mamba. Schauen wir uns das genauer an:

Die Situation startet mit Dynamo im 451-Mittelfeldpressing und Rostock in ihrer 433-Struktur für lange Bälle auf Verhoek. Dafür stehen beide Achter eng und hoch in den Halbräumen. Währenddessen ziehen die breiten Flügel Schumacher und Mamba Dynamos Block in die Breite. Auf der linken Seite deckt das Kade durch seine tiefe und breite Positionierung gut ab, auf der anderen Seite steht Königsdörffer jedoch leicht zu hoch und zu zentral. Nun hat Sechser Behrens sehr viel Zeit am Ball, um den langen Ball vorzubereiten. Mörschel hätte dabei mehr Druck erzeugen können und müssen – denn so kann der Flugball genau und präzise gespielt werden.

Genau das macht Behrens mit seinem Chipball auf die linke Seite zu Schumacher. Akoto erkennt das und agiert zunächst sehr klug: er versucht den Rostocker direkt unter Druck zu setzen. 

Nach dessen Ballannahme setzt er sich aber wieder etwas nach hinten ab, was Schumacher zu viel Zeit am Ball gibt. Die Gründe für diese Entscheidung lassen sich nur vermuten. Ich könnte mir zum Beispiel denken, dass Akoto als gelernter Innenverteidiger in solchen klassischen Außenverteidigersituationen vielleicht manchmal noch tendenziell eher zentrumslastiger entscheidet. Zudem könnte er vielleicht auch durch den hohen Achter Bahn beeinflusst worden sein. Da sowohl Königsdörffer als auch Schröter noch sehr hoch stehen (zu hoch? schon zu Beginn standen die beiden Linien ziemlich weit auseinander…) hat dieser viel Raum und keinen Gegenspieler. So hätte er beispielsweise sofort im Halbraum angespielt werden können. Doch auch wenn er hier die Tiefe zwischen Akoto und Sollbauer attackiert, kann er gefährlich werden. Ich vermute, dass diese smarte Bewegung Akoto deswegen wieder etwas zurückdrängte.

Doch in dieser Zeit schob schon Sollbauer nach, um den potenziellen Raum für den Achter zu schließen. Dadurch entstand in der Box eine 3v3-Situation – sehr gute Voraussetzungen für eine Flanke. Zwar verteidigt Dynamo weitestgehend nah am Mann, doch weil Stark zu weit weg ist , müssen Mai und Löwe die ersten beiden Optionen aufnehmen. So bleibt in deren Rücken Mamba frei, den Schumacher mit einer stark gespielten Flanke erreicht.

Insgesamt waren es bei Dynamo viele kleine Fehler, nicht nur der von Akoto, die am Ende das Gegentor bedingen. Auf der anderen Seite muss man aber auch anerkennen, dass bei Rostock sowohl technisch als auch hinsichtlich der Lauf- und Passwege wirklich alles gestimmt hat. Gerade Bahn, der Akoto und Sollbauer verunsicherte, war in dieser Szene sehr wertvoll.

Passende Anpassungen in der Halbzeit und erfolgreiche zweite Hälfte

In der Halbzeit war es daher nun an Schmidt, die Rostocker Dominanz durch einige kleine Umstellungen zu durchbrechen. Das schaffte Dynamo vor allem durch kleine Anpassungen des Pressings und personelle Wechsel.

Zunächst wurde erkennbar, dass Dynamo konstanter deutlich höher anlief, um die Probleme im tieferen Pressing zu übergehen. Im Angriffspressing spielte die Zentrumsraute nun zudem deutlich breiter und mannorientierter, um den Flügelüberladungen zu kontern. Denn das 451 war aufgrund der fehlenden Kontermöglichkeiten und dem Unentschieden nicht mehr die beste Option. Durch das höhere und intensivere Pressing und einer zunehmend wachsenden Müdigkeit und Ungenauigkeit des Gegners gelang es Dynamo im Laufe der Zeit, immer mehr Ballgewinne (hoch oder nach zweiten Bällen) zu erzeugen. 

Das darauf folgende direkte Umschalten wurde zudem durch die eingewechselten Vlachodimos und Hosiner positiv geprägt. Vlachodimos mit seiner Qualität bei Tiefenläufen und 1v1-Situationen konnte einige Male Durchbrüche erzeugen. Hosiner konnte außerdem von der Zehn aus durch seine Spielintelligenz und Kombinationsstärke auffallen, zudem wurde mit ihm auch die Boxbesetzung und Torgefahr am Ende der Dresdner Angriffe erhöht.

Fazit

So schießt Dynamo auch noch zwei weitere Tore und gewinnt damit (nach einer Phase mit stark ausgeführtem tiefen Verteidigen) am Ende durchaus nicht unverdient, auch wenn das Spiel auch gut und gern in die andere Richtung hätte gehen können. Die Intensität, Mentalität und vor allem die klugen Anpassungen des Trainerteams während des Spiels haben gegen Rostock den Ausschlag gegeben. Insgesamt war das dennoch nicht so überzeugend wie sonst. Das Spiel am Samstag war auch eines, was Dynamos Schwächen bei bestimmten strategischen Verhältnissen offenlegte. Denn klappt das im Fokus stehende Pressing aufgrund des Gegners nicht, kann man durchaus große Probleme bekommen. In solchen Phasen würde es helfen, wenn man über klare Ballbesitzideen und ruhige flache Kombinationen etwas mehr Kontrolle und Dominanz erlangen könnte. Solch eine Entwicklung wird – wie ich auch schon in den letzten Wochen angemerkt habe – langfristig noch essentiell wichtig werden, um gegen jede Art von Gegner bestehen zu können.

 

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