FC Sankt Pauli – SG Dynamo Dresden: Spielanalyse

Dynamo verliert am Sonntagnachmittag deutlich und absolut verdient gegen eine der wohl stärksten Mannschaften der aktuellen zweiten Liga. Wie das zustande gekommen ist, erfahrt ihr hier.

Der Gegner

Der FC Sankt Pauli hat sich in den letzten Monaten und Jahren zu einem Team entwickelt, das sowohl individual- als auch auch gesamttaktisch sehr souverän, abgezockt und eingespielt erscheint. Sie verfolgen einen klaren strategisch-taktischen Plan und setzten diesen im Spiel gegen die SGD auch weitestgehend gut um.

Nominell agierte Pauli wie Dynamo aus einer engen 4Raute2-Grundordnung heraus. Zu Beginn liefen sie die Dresdner in einem rautentypischen Angriffspressing an. Sie wollten so mit brutaler Intensität hohe Ballgewinne und vielversprechende Umschaltaktionen erzeugen.

Angriffspressing St. Pauli – zur Seite lenken, weiträumige 8er, enge AV.

Das 1:0 und weitere Chancen

Gegen Dynamo, die ihr klassisches Spiel unter Schmidt auch dieses Mal durchzogen (das muss ich glaube nicht nochmal näher ausführen, schaut bei Bedarf sonst gern nochmal in andere Blogbeiträge. Stichworte: Raute, Pressingfokus, Konter, Limitierungen im Ballbesitz), war das schon nach knapp 55 Sekunden erfolgreich. Die SGD, die schon von Haus keine primäre Ballbesitzmannschaft ist und sich gerade im Aufbau sehr häufig auf die Flügel drängen lässt, wurde auf die linke Seite gelenkt, verlor dort den Ball und musste dann nach den smarten Anschlussaktionen der Hamburger Stürmer das 1:0 durch Buchtmann hinnehmen. 

Angriffspressing St. Pauli – Ballgewinn vorm 1:0.

In den darauffolgenden Minuten verlief sich das Spiel ähnlich weiter, indem Pauli hoch zuschob, Dynamo so dominierte und einige gefährliche Chancen herausspielen konnte (auch wenn sie dabei noch mehr hätten rausholen können). Grund dafür war, dass der heutige Gegner der SGD nicht nur im Pressing stark agierte, sondern auch klare Ideen und Abläufe im Aufbau-, Übergangs- und Chancenerarbeitungsspiel erkennen ließ.

Aus der Rautenformation heraus agierte Sankt Pauli grundsätzlich bemerkenswert flexibel und dynamisch. Die Spieler gingen große Wege und wechselten häufig die Raumbesetzung, wie folgende Grafik grob zusammenfassen soll.

Grundausrichtung St. Pauli.

Insgesamt waren sie so häufig in der Lage, Dynamos Pressing zu umspielen. Zunächst ist als Grund davor die individuelle Klasse der einzelnen Akteure hervorzuheben, die es immer wieder schafften, enge Situationen über kluge Körperfinten, Dribblings und Kombinationen aufzulösen.

Zudem agierte Pauli im tiefen Aufbau sehr flexibel. Meist fiel ein nomineller Achter weit zurück, um sich der engen Deckung Dynamos zu entziehen, in tiefen Zonen Überzahl zu schaffen und die SGD so ins Leere laufen zu lassen. Auch die diagonalen Dribblings in Richtung Zentrum, die beide Außenverteidiger einige Male anboten, halfen dabei. Und sollte der flache Aufbau nicht gelingen, war der lange Ball auf Burgstaller, der mit den restlichen drei Angreifern (auch Achter, der die Tiefe attackiert) eng gestaffelt war und so gut zweite Bälle gewinnen konnte, eine Option.

Angriffspressing SGD – tiefer Achter und smarte AV als Schlüssel für St. Pauli.

In höheren Zonen gelang es Pauli genauso, durch Dynamik und schlaue Kombinationen Gefahr zu erzeugen. Auf der rechten Seite drückte Irvine durch seine hohe Positionierung Dynamos Mörschel weit zurück, in den geöffneten Raum konnte Rechtsverteidiger einige Male diagonal eindribbeln und so die Ordnung weiter durcheinander zu bringen oder direkt Steil-Klatsch-Kombinationen starten. Stets war in diesen Kombination viel Diagonalität dabei, was in Verbindung mit dem dynamischen Freilauf- und Positionsverhalten gut Dynamos Mannorientierungen im Zentrum auseinanderspielte und Linksverteidiger Paqarada, Kyereh oder Hartel auf der ballfernen Seite in vielversprechende offene Räume schickte. 

Ballbesitzspiel St. Pauli – beispielhafte Kombination, Prinzip der Diagonalität und Steil-Klatsch hier ersichtlich.

Stabilisation, aber nicht mehr

Nach den Anfangsminuten gelang es Dynamo phasenweise besser, zumindest die eigene Defensive zu stabilisieren. Einerseits nahm Pauli situativ die Intensität heraus, andererseits stellte Trainer Schmidt zwischendurch auf eine 541/451-Grundordnung in einem etwas passiveren Mittelfeldpressing um. Das half, der gegnerischen Dynamik, Flexibilität, Diagonalität und dadurch entstehenden räumlichen Gleich- bzw. Überzahl zu kontern, weil man so durch eine klarere Zuordnung bessere Raumkontrolle erlangte. Nichtsdestotrotz waren es genau diese Prinzipien, die Pauli auch weiterhin immer mal wieder gefährlich werden ließen.

Im Vergleich zur SGD waren jene auch der deutlichste Qualitätsunterschied zwischen beiden Mannschaften. Dynamo bekam im Laufe des Spiels immer mal wieder etwas mehr und ruhigeren Ballbesitz. Im Gegensatz zu den Hamburgern zeigten sie jedoch wenig klare und erfolgversprechende offensive Abläufe. Viel zu oft (aber typisch für Dynamo) ließ man sich auf die Seite lenken, spielte die Linie entlang und wurde dabei schnell zugeschoben. Im letzten Drittel blieben häufig wie gewohnt nur Halbfeldflanken der Außenverteidiger, deren Gefahr durch die heutige ungewöhnlich maue Boxbesetzung aber noch weiter verringert wurde.

Ballbesitzspiel SGD – Typischer Longline-Ball.

Halbzeit Zwei 

In der zweiten Hälfte setzte das Spiel genauso dort an, wo es in Hälfte Eins aufgehört hatte. Defensiv stand man insgesamt etwas stabiler, auch wenn das vermutlich mehr am Gegner als an einem selbst lag. Offensiv bekam man nun zwar etwas mehr vom Ball, doch auch ein etwas tiefer stehendes Pauli agierte äußerst souverän: defensiv sicher, auch mit Ball ab und an eine kontrollierte Ballbesitzphase einstreuend und offensiv eiskalt nach gegnerischen Fehlern.

Fazit und Einordnung

Insgesamt war die SGD dem Gegner im heutigen Spiel somit komplett unterlegen und verliert damit verdient. Pauli als eingespielte Topmannschaft war, wie auch schon u. a. Darmstadt und Paderborn, ein Team, das zu stark war für Dynamo. Es zeigte erfolgreich auf, wie Rautenfußball aussehen kann, der alle Spielphasen abdeckt. Sankt Pauli war mit der brutalen Intensität, smartem Umschalten, allgemeiner Cleverness und echt vielversprechenden Ballbesitzmustern schlicht kompletter als die Dresdner.

Die haben im Rahmen ihrer Spielidee eigentlich gar nicht so viel falsch gemacht. Es sind schlicht die strukturellen Schwächen, die stark ins Gewicht fallen. Gegen einen solchen Topgegner stoßen wir mit unserer aktuellen strategisch-taktischen Herangehensweise einfach an unsere Grenzen. Das ist sicher frustrierend, im Gesamtkontext gesehen jedoch überhaupt nicht schlimm. Als Aufsteiger ist Dynamo kein komplettes Topteam, das ist normal und kurz- bzw. mittelfristig auch in Ordnung. Wo es langfristig aber hingehen sollte, wohin sich unser Fußball in Zukunft entwickeln sollte, wurde uns heute durch den FC Sankt Pauli jedoch eindrucksvoll demonstriert.

(Eigentlich möchte ich mich nicht immer wiederholen, doch gerade diese Gesamteinordnung halte ich für entscheidend. Nur so wird die Spielbetrachtung rund. Wer das noch konkreter erklärt haben möchte, hört gern in die morgige Folge des #SGD1953-Podcast rein. Nächstes Wochenende folgt dann nochmal ein detaillierter Bericht zu den drei verpassten Spielen der letzten Wochen, wobei das Thema Ballbesitz nochmal intensiver aufgegriffen werden wird. Denn: Genau aufgrund dieser strategische Schwächen haben wir auch gegen Paderborn, Heidenheim und Darmstadt verloren.)

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