Karlsruher SC – SG Dynamo Dresden: Spielanalyse

Gegen den Karlsruher SC versucht die SGD nach Wochen der Verunsicherung die einfachen Abläufe der letzten Wochen weiter zu stabilisieren. Für einen Sieg reicht das in einem Spiel, das etwas unter Saisonausklangsspannungsverlust litt, am Ende aber verdientermaßen nicht. Schauen wir uns Dynamos Herangehensweise und deren Stärken und Schwächen noch einmal genauer an.

Dynamos Strategie

Vor dem Hintergrund der nun feststehenden Relegation galt es für Dynamo ab dieser Woche, die verbleibende Zeit so effizient wie möglich für die (hoffentlich ausreichende) Weiterentwicklung des Teams zu nutzen. Nach einigen Spielen mit Fokus auf Simplizität und Sicherheit hatte ich  erwartet, dass Trainer Capretti  die letzten Wochen daher nun ab sofort wieder dafür nutzt, seine klassischen Ideen in die Mannschaft zu bringen.

Gegen den KSC am Wochenende war das jedoch nicht der Fall. Er entschied sich, zunächst weiterhin auf die Ansätze der letzten Spiele zu setzen, um das Team innerhalb dessen weitere Stabilität gewinnen zu lassen. Dynamo verfolgte somit also auch dieses Mal einfache Abläufe und konzentrierte sich primär darauf, das Spiel mit einem konstant (!) hohen Intensitäts– und Kampflevel für sich zu entscheiden.

Doppelte Einfachheit

Dazu verfolgte man in allen Spielphasen wenig komplexe Abläufe. Gegen den Ball spielte Dynamo wie schon zuletzt Mann gegen Mann über den ganzen Platz. Normalerweise sind Pressingpläne Caprettis eher raumorientiert und auf Ballgewinne in hohen Zonen für gefährliche Konter ausgelegt. Insbesondere letzteres spielte in diesem Spiel aber eine untergeordnete Rolle. Nicht einmal die gegnerischen Rückpässe auf den Torwart wurden mehr für einen unkontrollierten langen Ball oder einen direkten Ballgewinn so konsequent gepresst. Dieses Mal ging es schlicht darum, klare Zuordnungen und Aufgaben für jeden einzelnen Spieler zu schaffen, den KSC so zuzustellen, auf lange Bälle zu warten und die Einzelduelle und zweiten Bälle über die nötige Intensität für sich zu entscheiden.

Dynamos Pressing, KSC-Aufbau – Mann gegen Mann (Beispielszene).

Mit dem Ball verknüpfte Dynamo die einfache Strategie der letzten Wochen zumindest anfangs mit etwas mehr Ruhe und Mut. Neben dem Fokus auf schnellen langen und zweiten Bällen (Intensität!) suchte Dynamo gegen das 433-Mittelfeldpressing des KSC auch zumindest vereinzelte organisierte Ballbesitzphasen. Dabei ließ man im 3412 den Ball viel in erster und zweiter Aufbaulinie laufen – entweder, wie beschrieben, um den KSC anzulocken und dann mit einem  langen Ball zu überspielen oder um über flachen Aufbau in die Halbräume zu spielen.

Wirklich viele sinnvolle Passwinkel ergaben sich aufgrund der statischen 3412-Staffelung selten. Zu selten ließ sich beispielsweise der ballferne Stürmer so zwischen die Linien fallen, dass er das Zentrum überlud. Doch gerade in der ersten Hälfte konnte man zumindest ab und an die Capretti-typische Rautenbildung auf dem Flügel erkennen, indem sich die Stürmer im Halbraum anboten und dort situativ mit einem Vertikalball der Halbverteidiger gefunden werden konnten. Das Spiel von dort fortzusetzen, stellte sich aus strukturellen Gründen aber ebenso schwierig dar. Meist kam der Ball danach auf die Flügel, die durch das Bespielen des Zentrums und das Zusammenziehen des KSC-Blocks so zumindest etwas mehr Raum und Zeit erhielten. Diese hatten zwar nun noch einen weiten Weg bis zum gegnerischen Tor vor sich, konnten in diesem Spiel aus diesen Ausgangslagen aber dennoch situativ für Torgefahr sorgen.

Dynamos Aufbau, KSC-Pressing – vereinzelte flache Vertikalbälle, weitere Passwinkel öffnen sich aber nicht (Beispielszene).

Dynamos Torgefahr

Denn das gelang Dynamo im Spiel gegen den KSC signifikant häufiger und bedeutender als zuletzt. Das ist neben der strategisch-taktischen Spielanlage jedoch auch dem Gegner und dessen individual- und gruppentaktischen Verhalten zuzuschreiben.

Nach zwei Zufallsaktionen bzw. Gegnerfehlern zu Beginn kreierte Dynamo seine Chancen in diesem Spiel primär über die Flügel. Die 433-Staffelung des KSC (gegen den Ball meist als Mittelfeldpressing) führte auch mit dem Ball zu vielen Einzelduellen über den gesamten Platz. Gerade in der ersten Hälfte gelang es Dynamo, viele dieser Duelle über individuelle Vorteile für sich zu entscheiden.

Nach Standards (Einwürfen!), langen Bällen beider Teams, Karlsruher Angriffen und Aufbaufehlern (und teils auch nach eben jenen organisierten Aufbauphasen) war Dynamo mit einem ordentlichen Intensitätslevel – insbesondere im Zweikampfverhalten der fünf zentralen defensivdenkenden Akteure (Akoto!) – immer wieder in der Lage, die zweiten Bälle für sich zu gewinnen und dynamische konterähnliche Situationen zu kreieren. Dabei lag der Dresdner Fokus darauf, schnell auf die Flügel und/ oder in die Tiefe zu spielen. Dort konnten dann insbesondere Königsdörffer und Diawusie (unter kluger Vorarbeit Weihrauchs) ihre Duelle mit ihrer hohen Robustheit und Schnelligkeit gewinnen, so viel Raum in kurzer Zeit überbrücken und für Torgefahr sorgen. Dabei fokussierte z. B. Diawusie immer wieder den Raum hinter dem aufgerückten und nicht immer schnell umschaltenden und defensiv hart arbeitenden Philipp Heise. Auch in der zentralen Endverteidigung wirkte der Spannungsverlust zum Saisonende bei den Karlsruher Verteidigern angesichts geringer Intensität, Laufbereitschaft und weiterer individueller Fehler groß. Dynamo hätte somit gerade in der ersten Hälfte durchaus auch noch ein weiteres Tor erzielen können.

Karlsruher Torgefahr

In der zweiten Hälfte kippte dann aber das Momentum mehr und mehr auf die gegnerische Seite. Der KSC agierte intensiver und klarer in seinen Aktionen, Dynamo verlor dagegen etwas an der anfangs so soliden Wucht und Zweikampfstärke.
Bei einer solch simplen Herangehensweise an ein Spiel kommt es genau auf diese Details an. Ist die eigene Intensität hoch genug, kann man erfolgreich sein. Dreht sich das aber nur leicht, geht es genauso schnell in die andere Richtung. (Abgesehen davon spielt auch der Zufall eine, für die größtmögliche Erfolgswahrscheinlichkeit zu große Rolle in solchen Spielen.)

Insbesondere in den ersten zwanzig Minuten gelang es Dynamo im Vergleich zu anderen Spielen unter Capretti am besten, die nötige Intensität gegen einen (zugegeben nicht bei 100% stehenden) Gegner auf den Platz zu bringen. Das bedeutete eigene Torgefahr und 0,0 xG auf Gegnerseite.
Schon in der ersten Hälfte wurde aber auch deutlich, wie Karlsruhe Dynamo beikommen kann. Denn sie wussten es situativ, Dynamos riskantes Spiel gegen den Ball auf die Probe zu stellen. Grundsätzlich prägen das offensive Spiel des KSCs vor allem viele lange Bälle auf den deutlich überdurchschnittlich robusten Hofmann und Flügelüberladungen im Übergangsspiel. Dynamos 1v1-Spielweise passte dagegen nicht wirklich gut.
Zwar gewann Dynamo zu Beginn des Spiels viele der Einzelduelle, auch gegen Hofmann. Auch das Rückzugsverhalten bei einem langen Ball (insbesondere der Flügelverteidiger und Sechser) sah schon weitgehend besser, weil schneller und kompakter aus als zuletzt. Zudem klappte auch das weiträumige Verfolgen der Mannorientierungen in ungewöhnliche Zonen (z. B. Akoto und Will auf dem Flügel) konstanter.

Dynamos Pressing, KSC-Aufbau – Rückzugsverhalten bei langem Ball, Dynamo bringt schnell viel Personal in hintere Zonen (Beispielszene).
Dynamos Pressing, KSC-Übergang – laufstarker Akoto geht für Mannorientierung weite Wege und schließt so Löcher (Beispielszene).

Dass das aber über das gesamte Spiel gelinge, war schon zuvor anzuzweifeln. Dafür ist zum Beispiel Hofmanns qualitativer Vorteil gegenüber Dynamos Innenverteidigern zu groß. Es gelang ihm immer häufiger, Bälle in Unterzahl festzumachen und klug weiterzuleiten. Dazu streute der KSC gegenläufige Bewegungen ein, womit Dynamos Akteure immer wieder weite Wege in ungewohnte Zonen zurücklegen mussten. Ähnliches wurde von Dynamos Halbverteidigern verlangt, wenn sie weit auf die in der zweiten Hälfte vermehrt breit stehenden Flügelspieler des KSC herausrücken mussten und dort z. B. im Tempo unterlegen sein konnten. Ab und an überlud der Gegner dann auch bestimmte Zonen (oft um den langsamen Löwe), um dort zweite Bälle zu gewinnen, kurz zu kombinieren und dann Durchbrüche auf dem Flügel zu erzeugen.

Nachdem der KSC im Laufe der Partie diese taktischen Mittel immer stärker fokussierte und dazu noch in der zweiten Hälfte deutlich intensiver und direkter auftrat, war Dynamo nicht mehr konstant in der Lage, die Einzelduelle und die zweiten Bälle zu gewinnen. Für letzteres stimmten situativ Nähe zum Gegner, Aggressivität und Zugriffstiming nicht. Wo zudem in der ersten Spielhälfte Dynamos Angreifer im 1v1 noch qualitative Vorteile auf ihrer Seite hatten, wechselten diese bei ersterem durch die Nutzung kleiner taktischer Mittel nun auf die Seite des Gegners (vor allem Hofmann, teils auch auf dem Flügel). In der ersten Halbzeit versandeten noch einige solcher Szenen im Ansatz, da der KSC die SGD zu selten auf die Probe stellte, teils unsauber agierte und Dynamos Vielzahl an defensivdenkendem Personal in der Rest- und Endverteidigung half. Danach kassierte Dynamo jedoch noch mehr gefährliche Chancen, damit auch Standards und so letztlich auch die Gegentore.

Fazit

Letztlich war das also wieder ein Spiel, das primär über Intensität entschieden wurde. Gegen einen zu Beginn nicht 100% starken Gegner lässt sich einerseits durchaus resümieren, dass Dynamos Abläufe dahingehend verfestigt wurden und man in Phasen des Spiels sehr stabil agierte. Andererseits reicht das gegen einen sich im Verlauf verbessernden Gegner mit einigen simplen, aber klugen taktischen Mitteln nicht für einen Sieg. Gleichzeitig spielt das aktuell wohl auch eine untergeordnete Rolle, angesichts der Lage ist der Stabilitätsansatz durchaus nachzuvollziehen. Es bleibt spannend, ob, wann und wie Capretti auf der Intensitäts-Stabilität mit fußballerischen Ideen aufbauen wird.

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