
SG Dynamo Dresden – 1. FC Nürnberg: Spielanalyse
Dynamo verliert am Sonntagnachmittag gegen den 1. FC Nürnberg mit 0:1. Was mich an der Leistung positiv überraschte und warum es am Ende trotzdem nicht reichte, zeigt ein taktischer Blick auf den Spielverlauf.
Gegner Nürnberg
Dynamo stand am Wochenende ein durchaus souveräner und routinierter Gegner gegenüber. Nürnberg unter Robert Klauß ist eine klar ausgerichtete Mannschaft. Mit einem individuell stark besetzten Kader legen sie den größten Wert auf Stabilität in der Defensive, auf Grundlage dessen sie dann durch smartes Umschalten für Torgefahr sorgen wollen.
Gegen Dynamo agierte Nürnberg vor diesem Hintergrund zunächst in der klassischen Rautenformation mit einem etwas abwartenderen Mittelfeldpressing. So wollte man das Zentrum für die SGD und deren Offensive schließen, orientierte sich dort sogar häufig Mann gegen Mann. Der Plan war, die eigenen Mittelfeldspieler stets eng zu halten, auch wenn zum Beispiel Dynamos Außenverteidiger am Ball sind. Viele Rautenpressingteams (auch Dynamo) schieben dann mit einem Achter auf die Seite, bei Nürnberg übernahm diese Aufgabe jedoch wenn möglich der ballnahe Stürmer, um die ganze Zeit so kompakt wie möglich zu bleiben.

Gewann man so den Ball schaltete Nürnberg meist direkt in die Offensive um, startete Tiefenläufe und trieb den Ball meist über die zwei hängenden Spitzen Daehli und Schleimer durch den ballfernen Halbraum in Richtung Dresdner Tor. Eine vielversprechende Variante war dabei auch, direkte hohe Verlagerungen auf die ballferne Seite zu spielen, da sich Dynamo normalerweise extrem auf eine Seite orientiert und so auf der anderen mit nachgerückten Nürnberger Außenverteidigern isolierte 1v1-Situationen entstehen konnten.
Dynamos Matchplan
Gegen diese Nürnberger Spielweise, die sie so im Allgemeinen und strategisch häufig auf den Platz bringen, galt es für Dynamo, einen passenden Matchplan zu finden und umzusetzen. Dieser deutete sich schon an, als die Startaufstellungen für das Spiel bekanntgegeben wurden. Neben gutem Pressing lag der Fokus für die SGD in diesem Spiel auch vermehrt auf klugem Ballbesitz und konsequentem Gegenpressing, um die gegnerische Defensive zu knacken und nicht in gefährliche Konter zu laufen. Deswegen startete Hosiner, der zum ersten Mal in dieser Saison von Beginn an auf die Zehn rückte: Man wollte schon personell mehr Kreativität und Kombinationsstärke auf dem Feld.
Genau das spiegelte sich auch in der gesamttaktischen Herangehensweise wider. Ist Dynamo mit Ball normalerweise eine sehr aggressive, rustikale und direkte Mannschaft, konnte man gegen Nürnberg schon frühzeitig erkennen, dass man etwas geduldiger agieren wollte. Der Fokus lag vermehrt auf flachen Ballstafetten; man wollte sich nicht wie zuletzt so schnell auf die Flügel drängen lassen, sondern wollte im Übergang diagonaler und ins Zentrum hinein spielen.
Schwierigkeiten in der Umsetzung
Dies sah ganz zu Beginn der Partie durchaus vielversprechend aus. Wirkliche Torgefahr konnte man jedoch nicht kreieren. Nürnbergs Pressingstruktur (siehe Grafik oben) und die Einzelspieler in ihren Rollen funktionierten sehr gut, man war extrem kompakt und konnte durch eine gute Aggressivität in den Einzelduellen Dynamo gerade im Mittelfeld (Raute gegen Raute, anfangs sehr mannorientiert) den Schneid abkaufen und einige Ballgewinne erzielen.
Diese Ballgewinne wandelten sich zudem wiederum sehr schnell in einige gefährliche Konter. Anfangs machte Dynamos Gegenpressing nach Ballverlust eigentlich noch einen recht stabilen Eindruck, mit der Zeit bekam man jedoch immer weniger Zugriff. Nicht in jeder Situation schoben die Dresdner genug Akteure auf die ballnahe Seite, was Kombinationen und dann auch das Zurückerobern den Balles erleichtert hätte.
Das Gegentor
Nach einem ordentlichen Start mit vielversprechenden Ansätzen bekam Dynamo so aber immer mehr Probleme. Gegen einen starken Gegner war man nicht in der Lage, Chancen zu kreieren; zudem bestand stets die Gefahr einiger Konter.
So fällt schließlich auch das Gegentor. Nachdem Dynamo auf der überladenen rechten Seite im Angriff den Ball verliert, bringt Nürnberg den Ball schnell auf die verwaiste ballferne Seite, wo Außenverteidiger Valentini und Krauß viel Platz haben. Die beiden Nürnberger Stürmer sorgen durch ihre Tiefenläufe dafür, dass Dynamos Restverteidigung nach hinten gedrückt wird und so Raum vor ihnen entsteht.
Krauß spielt dann kurz auf seinen Außenverteidiger und attackiert dann klugerweise ebenfalls die Tiefe auf der rechten Seite, womit er auch Dynamos Stark wegzieht und Raum für Valentini öffnet. Der startet nun genau dort mit viel Platz und Zeit diagonal in Richtung Zentrum.
Die nachrückenden Nürnberger Spieler haben nun wiederum auf der linken Seite viel Platz, da Dynamos Akteure in Richtung Valentini gezogen wurden. Durch eine weitere Verlagerung auf Daehli und den hinterlaufenden Handwerker entsteht so eine 2- bzw. 3v1-Situation, in der Becker wenig Chance auf Verteidigung hat. Die Flanke kommt auf den rechts wiederum nachstoßenden Krauß, der das Tor erzielt.
Alles in allem spielt Nürnberg hier schlichtweg ihre bekannte individuelle und kollektive Klasse im Umschaltspiel aus. Nachdem sie es geschafft haben, Dynamos Gegenpressing zu überspielen, kommen sie durch Verlagerungen gut in die offenen Räume; zudem stimmen die Laufwege, die noch mehr Platz schaffen. Trifft man dann auch noch stets die richtigen Entscheidungen und agiert präzise, ist das schwer zu verteidigen.
Für Dynamo gab es meiner Ansicht nach eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Zunächst muss man eigentlich verhindern, dass Nürnberg verlagern kann. Das heißt, dass das Gegenpressing direkt nach Ballverlust klappen muss. Leider gibt es nur dazu kein frei zugängliches Videomaterial mehr, sodass man sich die Situation nicht noch einmal genauer ansehen kann. Andererseits: Dass das gegen einen so starken Gegner grundsätzlich nicht immer klappt, ist auch normal.
Die zweite Möglichkeit auf einen Ballgewinn für Dresden war dann nur noch die Verteidigung in der Box. Wie Schmidt auf der PK anspricht, gibt es da ein Problem mit dem Durchschieben der Verteidiger. In solch einer Situation müssen sich alle Verteidiger so eng und gleichmäßig positionieren, dass alle Gegenspieler und die wichtigsten Zonen abgedeckt sind. Linksverteidiger Löwe schob dabei soweit ins Zentrum, dass Krauß in seinem Rücken zu viel Platz hat. Doch ist das seine Schuld? Ich bin mir unsicher. Bei Betrachtung der Bilder wird deutlich, dass im Rückraum noch ein weiterer Nürnberger ungedeckt freisteht. Löwe muss sich also entscheiden und rückt weiter mittig. Diese Option hätte vielleicht eher ein nachrückender Mittelfeldspieler schließen müssen, sodass er bei Krauß bleiben kann. (Um diese Situation endgültig bewerten zu können, fehlt mir aber das spezifische Fachwissen.)
Erfolgreiche Anpassungen
Mit dem Rückstand wurde es für Dynamo nun noch schwerer, Gefahr zu kreieren. Nürnberg agierte zunächst noch etwas tiefer und überließ der SGD noch mehr den Ball. Dynamo war erst in der Lage, die vielversprechenden Ansätze von Spielbeginn weiterzuführen, nachdem man in der Halbzeit einige Details anpasste.
Erstens half die Einwechslung von Herrmann, der schon allein durch sein kluges, flexibles und kreatives Spiel mit Ball das Übergangsspiel verbessern kann. Mit dem Wechsel ging jedoch auch einher, dass sich nun Kade auf links und Daferner etwas zentraler orientieren konnte, was mehr ihren Stärken entsprach.
In diesem Zusammenhang verbesserte sich auch die Gesamtstruktur der SGD. Zu Beginn des Spiels schien es mir schon so, als wolle man etwas asymmetrisch agieren. Konstant und konsequent hat man das jedoch erst in Hälfte 2 getan. Schmidt meinte, man agierte dann „mutiger“, vielleicht hat das auch die Positionierung beeinflusst. Diese Matchplan-Struktur sah wie folgt aus:
Dynamo agiert auf jeden Fall auf Basis der Raute. In eigenem Ballbesitz orientierte sich ein Achter (in der ersten Hälfte der rechte, später mit Kade der linke) etwas aggressiver und höher nach vorn, während der Achter der Gegenseite tiefer zurück rutschte. In HZ2 gab letzterer sogar im Aufbauspiel situativ die Breite, was damit einher ging, dass Rechtsverteidiger Becker etwas zurückblieb, während auf der anderen Seite Löwe höher schob.
Diese Asymmetrie (die mich an die Aufbau-Asymmetrie gegen Wiesbaden im letzten Jahr erinnert, siehe die DynamoTV-Doku) brachte einige Vorteile mit sich, auch im Vergleich zur ersten Hälfte. Zunächst öffnete es bessere Passwege ins Zentrum, was flachere Kombinationen im Aufbau ermöglichte und/ oder das gegnerische Mittelfeld herauslocken konnte, um es dann zu überspielen.



Gleichzeitig brachte Dynamo so mehr Personal in höheren Zonen zwischen die Linien, weswegen man nun auch mehr lange Bälle auf Daferner (und später Mai) spielen konnte. Mehr Personal bedeutete bessere Chancen auf den zweiten Ball, mehr Möglichkeiten im Anschluss und eine bessere Absicherung durch Gegenpressing.

Mehr Gefahr in der Schlussoffensive
So konnte Dynamo in Halbzeit 2 deutlich mehr Gefahr kreieren, auch wenn das letzte Drittel mit vielen Flanken immer noch sehr einseitig blieb (siehe die letzten Wochen und unsere Diskussionen im #SGD1953-Podcast, wo wir das Spiel auch genauer diskutieren). Selbst agierte man mutiger und präziser, kam so in erfolgsversprechendere Strukturen; auch profitierte man von zunehmender Ungenauigkeit des Gegners in Ballbesitz und dessen Problemen, den Zwischenlinienraum zu verteidigen (weswegen Klauß dann auch nochmal auf eine Art 4222 umstellte).
Fazit
Alles in allem hätte man so daher schon ein Unentschieden verdient gehabt. Am Ende hat es jedoch nicht gereicht. Trotzdem glaube ich, dass das insgesamt eine ordentliche Leistung der SGD war. In der Bewertung gilt es schlicht zu differenzieren. Es war keineswegs alles gut. Gegen einen sehr starken Gegner war man gerade in Halbzeit 1 individuell unterlegen und offenbarte einige Probleme im Ballbesitz. Auch die sonst so starke Aggressivität (vor allem im Gegenpressing) habe ich phasenweise leicht vermisst. Doch es war auch keineswegs alles schlecht. Die Ansätze für erfolgreiche Chancenerarbeitung waren da, gerade im Vergleich zu den letzten Wochen. Nach klugen Anpassungen in der Halbzeit konnte man diese auch vermehrt gut umsetzen und einige Male torgefährlich werden. Dass man am Ende verliert, ist schade, aber einfach hinzunehmen. Die Leistung, die viel wichtiger als das Ergebnis ist, war am Ende in Ordnung und auf diesen Ansätzen gilt es aufzubauen.