SG Dynamo Dresden – FC Erzgebirge Aue: Spielanalyse
Gegen den FC Erzgebirge Aue verfolgt die SGD eine ähnliche Strategie und Struktur wie zuletzt. In einem Spiel, das dieses Mal nicht über Intensität sondern über viel eigenen Ballbesitz zu gewinnen war, reicht diese jedoch nicht einmal annähernd für einen Sieg. Schauen wir uns Dynamos Idee und die Gründe für deren Scheitern noch einmal an.
Die Ausgangslage
Mit Aue stand Dynamo an diesem Wochenende ein Gegner gegenüber, der auf dem Papier keineswegs stärker als die Dresdner sein sollte – sowohl individuell als auch gesamttaktisch. Auf jeden Fall weiß man aber bei Aue, was man bekommt. In einem klassischen Mittelfeldpressing (4231, 442, 4141, macht keinen großen Unterschied) versucht der FCE defensiv stabil zu stehen. Für Torgefahr wird auf dieser Basis dann der Fokus auf einfaches und direktes Spiel in die Spitze (vertikales Konterspiel, lange und zweite Bälle) und gefährliche Standards gelegt.
Wenngleich dieses Derby für beide Teams punktetechnisch keinerlei Relevanz hatte, war es dennoch insbesondere für Dynamo ein Gradmesser. Es galt, Selbstvertrauen für die anstehenden Relegationsspiele aufzubauen, gerade gegen einen Gegner, der zumindest bezüglich seiner strategischen Herangehensweise dem ebenso einfachen und defensivdenkenden Kaiserslautern ähnlich kommt. Insofern hatte das Spiel also auch eine gewisse Relevanz hinsichtlich der taktischen Entwicklung der SGD.
Nach Wochen der Unsicherheit, denen Trainer Capretti mit einem klaren Fokus auf Stabilität und Simplizität entgegnete, erwartete ich schon letzte Woche gegen den KSC eine Rückkehr und Weiterentwicklung seiner ursprünglichen, aktiven und ballbesitzfokussierten Ideen. Gegen Kaiserslautern wird das Spiel mit Ball schließlich entscheidend sein. Ähnlich war nun auch das Derby eine Partie, indem Dynamo gegen einen primär defensiv denkenden Gegner das Spiel über viel eigenen Ballbesitz gestalten musste. Doch das funktionierte nicht annähernd erfolgreich – und war damit auch Hauptgrund für die verdiente Niederlage.
Dynamo mit dem Ball
Dynamo agierte in diesem Spiel weiterhin aus der 3412-Grundordnung der letzten Wochen. Für intensives Spiel mit hohem Fokus auf lange und zweite Bälle passt diese Struktur, für die zahlreichen Ballbesitzphasen gegen den kompakten und gut verschiebenden Auer Block jedoch überhaupt nicht.
Die enge 3er-Kette hatte gerade zu Spielbeginn viel freie Zirkulation. Doch nur in ganz wenigen Szenen ergaben sich sinnvolle progressive Passwinkel. Mit fünf Aufbauspielern im Zentrum und den entgegenkommenden Flügelverteidigern hatte Dynamo viel zu viel Personal außerhalb des gegnerischen Blocks, zumal jene drei Stürmer (plus die Sechser) durch ihre Würfel5-Staffelung leicht von Aues Verteidigern mannorientiert aufgenommen werden konnten.
In der Theorie ergeben sich mit einem 3er-Aufbau bei klugem Positionsspiel insbesondere viele Wege in die Halbräume zwischen den Linien. Diese waren jedoch mit einer solchen 12-Struktur im Angriff schon nominell nicht besetzt – und wurden auch selten klug belaufen. Oft wurden sie gar nicht besetzt. Wenn doch, lief es so: Wenn ein Halbverteidiger in Ballbesitz war, rückte meist einer der beiden Mittelstümer Dynamos auf die Halbspur. Selten kamen Daferner oder Drchal aber weit genug und mit passendem Timing entgegen, sondern erkannten diese Situationen meist zu spät/ gar nicht und positionierten sich stattdessen eher nah an der letzten Linie. Daher wurden sie selten direkt angespielt oder konnten den gespielten Ball aufgrund technischer Schwächen (erster Kontakt) und dem dort höheren Druck nicht festmachen und weiterleiten. Gleichzeitig wurde der direkte Passweg in den Halbraum oft von der wilden Positionierung der beiden Sechser Will und Akoto zugelaufen. Oft rückten diese bei tiefer Zirkulation ebenfalls auf die ballnahe Halbspur (und standen so im Weg). Dort konnten sie zwar meist angespielt werden, hatten aber nur eine Anschlussoption. Da sie ohne Dynamik und mit Rücken zum Tor agierten und dabei noch mannorientiert verfolgt wurden, blieb ihnen nur der bloße Weg zurück. Zum Ende der zweiten Hälfte rückte insbesondere Paul Will auch ab und an mal etwas höher, um zwischen den Linien eventuell aufdrehen zu können. Doch auch das schaffte er in den wenigen Szenen nicht schnell und sauber genug und/ oder er wurde nicht angespielt oder schnell zugeschoben. Gleichzeitig hätte auch der ballferne Sechser von Dynamo besser genutzt werden können, indem er zum Beispiel klarer ins Zentrum rückt und so eine weitere Klatschoption bietet. Doch auch dessen Positionierung blieb über weite Strecken des Spiels unbrauchbar. Das Fehlen passender Passwinkel hatte zudem auch viel mit der 3er-Kette im Aufbau zu tun. In vielen Szenen verpassten sie es, anzudribbeln und so die Zuordnungen des gegnerischen Blocks durcheinanderzubringen. Insbesondere nach Verlagerungen fehlte außerdem häufig das Gefühl dafür, das Spiel durch schnelles Passspiel (oder eben Andribbeln) zu beschleunigen. So konnte Aue entspannt im Traben verschieben, ohne die Kompaktheit zu verlieren. Interessanterweise agierte zudem Halbverteidiger Löwe deutlich weiter zentral als Sollbauer auf der anderen Seite. Vereinzelte Szenen zeigen, warum sich das Trainerteam vermutlich dafür entschieden hat. Letztlich ergaben sich aufgrund des ungenauen Positionsspiels auf dem gesamten Feld jedoch so wenig Passwinkel und -möglichkeiten, dass dieses Detail sogar eher negativ wirkte. Denn so war Löwe in Dynamos Aufbau praktisch komplett verschenkt.Dynamos Torgefahr
Nichtsdestotrotz konnte die SGD gerade in der ersten Spielhälfte zumindest im Ansatz einige gefährliche Szenen kreieren. Neben Standards und vereinzelten Zufallsszenen (z. B. nach gegnerischen Fehlern) entstanden diese vor allem über Vaclav Drchal. Als rechter Stürmer konnte er ab und an seine Stärken in der Robustheit und Schnelligkeit im 1v1-Duell gegen den langsamen Innenverteidiger Ballas klug einsetzen. Einige Male ließ er sich im Halbraum kurz fallen, um Ballas leicht aus der Position zu ziehen. Daraufhin attackierte er die Tiefe – entweder nach einem flachen Vertikalball in den Fuß oder einen langen Ball über die letzte Linie – und konnte das Laufduell gewinnen.
Aues Torgefahr
Gegen den Ball agierte Dynamo wie auch zuletzt mit 1v1-Mannorientierungen über das gesamte Feld. Dass das risikoreich ist und mit bestimmten taktischen Mitteln (Breite, Überladungen, Spieler in ungewohnte Räume ziehen, …) gefährlich bespielt werden kann, hat der KSC in der letzten Woche gezeigt.
Wenngleich Aue diese Mittel noch deutlich extremer und konsequenter nutzen und so noch mehr Torgefahr kreieren hätte können, gelang ihnen das zumindest vereinzelt. Insbesondere im Konterspiel (auch bedingt durch Dynamos schwaches Aufbauspiel und teils ungenügend intensives Gegenpressing und Rückzugsverhalten) standen sie in Gleichzahl gegen Dynamos Restverteidigung. Diese konnte lange Bälle auf Owusu nicht immer erfolgreich wegverteidigen (Knipping!) und musste dann bei Aues dynamischen Steil-Klatsch-Spiel immer wieder in ungewohnte Räume gegen schnelle und dribbelstarke Spieler (Sollbauer gegen Kühn). Schon so verlor man viel Zeit mit Ball und musste weite Wege gehen, kassierte ab und an auch eine Torchance. Ein stärkerer Gegner hätte das wahrscheinlich noch für noch mehr Torgefahr ausgenutzt.
Verbesserungsvorschläge und die zweite Hälfte
Abgesehen davon prägte vor allem das unpassende Dresdner Positionsspiel die Partie, es passte auf allen Positionen überhaupt nicht zusammen. Zudem wurden diese Unsauberkeiten durch taktische (Andribbeln) und technische (Ballverarbeitung) Individualprobleme signifikant verstärkt.
Neben letzterem, was in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen ist, wären gesamttaktisch schlichtweg andere Staffelungen klug gewesen. Egal ob 433, 3421 oder 316 – man hätte vor allem mit höheren Flügelverteidigern oder richtigen Flügelstürmern mehr Breite ins eigene Spiel bringen (so kamen Giorbelidze und Diawusie immer weit entgegen. konnten leicht kontrolliert werden und das Spiel nicht dynamisch nach vorn fortsetzen) und die Halbräume besser besetzen und bespielen müssen, letzteres zudem und gerade mit passenderen, technisch stärkeren Spielertypen (Weihrauch statt Daferner).
Dahingehend hätte ich mir spätestens eine Umstellung in der zweiten Halbzeit gewünscht. Doch Dynamo spielte über die gesamte Spielzeit denselben Stiefel mit viel tiefer Zirkulation, wenig erfolgsversprechenden langen Bällen und vielen Stückwerkaktionen – und hätte damit wohl auch noch weitere 90 Minuten kein Tor geschossen. Dabei machten auch die Einwechslungen keinen signifikanten Unterschied. Ein passendes Beispiel ist Pana Vlachodimos, der entgegen seinen Stärken nicht auf der Außenlinie sondern als zweiter Stürmer im Halbraum agieren musste und seine Dynamik so nur selten ausspielen konnte. Zwar gelangen ihm und Daferner zum Ende des Spiels vereinzelt einige gute Besetzungen des linken Halbraums mit Fortsetzung über Giorbelidze, doch das lag zu einem großen Prozentsatz auch an den müder werdenden und damit weniger kompakt verschiebenden Auern. Zu signifikanter Torgefahr reichte das zudem in den einseitigen Anschlussaktionen mit vielen unsauberen Abläufen und Entscheidungen ebenfalls nicht.
Fazit
Somit verliert die SGD letztlich verdient. Hauptgrund dafür ist: Obwohl der Gegner ebenso strategisch einseitig und individuell limitiert agiert, liegt der Unterschied in der allgemeinen Herangehensweise. Während die Auer klar wissen und umsetzen, was sie wollen, fehlt Dynamo über 90 Minuten ein sinnvoller Plan, der zu Spiel(verlauf) und Gegner passt und dazu auch noch passend umgesetzt wird.