SG Dynamo Dresden – SV Darmstadt 98: Spielanalyse

Gegen den SV Darmstadt verliert die SGD auf die wohl bitterste Art und Weise. Dabei legte man keine schlechte Leistung an den Tag. Werfen wir nochmal einen genaueren Blick auf Herangehensweise und Spielverlauf.

Der Gegner

An diesem Wochenende kam ein ausgesprochen stabiles und flexibles Zweitligateam nach Dresden. Den SV Darmstadt zeichnet ein vergleichsweise hoher Grad an Direktheit und Vertikalität im eigenen Spiel aus. Zudem prägen einige spannende Einzelspieler (Patric Pfeiffer, Philip Tietz, Luca Pfeiffer) das Spiel der Hessen. All diese Aspekte sollten auch im Spiel gegen die SGD bedeutend werden. Schauen wir es uns chronologisch an.

Dynamo im angepassten Pressing

Für Dynamo als Pressingteam galt es zunächst, innerhalb der bekannten Schmidtschen Prinzipien einen klugen Matchplan gegen die Darmstädter Spielweise auszuwählen. Dieses Mal entschied sich das Trainerteam der SGD gegen die bekannten Abläufe aus der Raute.

Zwar stellte Dynamo den gegnerischen Abstoß weiterhin rautenartig (oder später im 442, bei dem der ballnahe Stürmer den gegnerischen Sechser durch seinen Deckungsschatten kontrollieren sollte) zu, darüber hinaus agierte man jedoch in einem tieferen 442/4222-Mittelfeldpressing. 

So gewährte man Darmstadt eine kontrollierte Ballzirkulation in erster Aufbaureihe. Statt den gegnerischen Spielaufbau wie gewohnt direkt zu attackieren, stand vielmehr folgendes im Fokus: Die beiden eng agierenden Flügel Weihrauch und Batista Meier und die Stürmer Königsdörffer und Daferner sollten sich so positionieren, dass ihre Deckungsschatten potenzielle Passwege ins Zentrum schließen. 

Darmstadts Überraschung mit Ball

Diese Herangehensweise schien Darmstadt zu überraschen. In der gesamten ersten Hälfte konnten sie zwar ab und an gefährliche Aktionen kreieren, wirklich stimmig wirkten die durch Dynamos tieferes Pressing aber häufig auftretenden Ballbesitzphasen selten. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel wurde klar: Man erwartete Dynamo eher in der Raute, so Trainer Lieberknecht.

So startete Darmstadt in ihr Ballbesitzspiel in 2512-ähnlichen Strukturen, wobei die Breite jeweils einfach (meist durch Karic und Skarke) und das Zentrum bzw. die Halbräume vielfältig besetzt wurden. Das hätte strukturell gut auf Dynamos klassische Idee gepasst. Man bindet mit vielen Spielern im Zentrum die gegnerische Raute und besetzt gleichzeitig die so entstehenden großen Räume auf dem Flügel. Gerade Dynamos Außenverteidiger Akoto und Giorbelidze hätten so weit rausrücken, die Viererkette weiträumig durchsichern müssen. Das hätte zu ungenügendem Zugriff auf den Ballführenden, großen (zu belaufenden) Räumen im Rücken und/ oder qualitativen Vorteilen für Darmstadt in 1v1-Situationen (besonders mit Tietz und Pfeiffer) führen können.

Mit dem 442 kam Dynamo dem aber entgegen. Man war in der Lage, das Zentrum kompakt zu halten und gleichzeitig durch kürzere Verschiebebewegungen die Breite leichter abzudecken.

Darmstadts anfängliche Offensivformation, Dynamos Defensivformation – 442 sichert Zentrum und Breite.

Darmstadts Anpassungen mit Ball 

Schon nach fünf Minuten veränderte Darmstadt daher ihre Aufbaustruktur. Vermehrt kippte nun ein Mittelfeldakteur (meist Sechser Gjasula) in die erste Linie, was Überzahl und für die jeweils außen positionierten Verteidiger passendere Passwinkel zu Halbraum und Flügel bedeutete. Das erleichterte Darmstadt die Ballzirkulation, wenngleich sie sich immer noch nicht konstant in hohe Zonen kombinieren konnten. 

Gefährlich wurde es vor allem dann, wenn sie über dynamische vertikale Abläufe die gefährlichen Stürmer Pfeiffer und Tietz einsetzten. Tietz startete häufig in die Tiefe (oder täuschte es an), wodurch er Raum zwischen den Linien kreierte. Dort positionierte sich Pfeiffer klug, sodass er dort entweder direkt mit einem langen Ball gefunden wurde oder eine Ablage von Tietz erhielt. Über solch kluge Bewegungen, sehr intensives Nachrückverhalten und schnelle Klatschabfolgen oder Verlagerungen kam Darmstadt in dynamische Situationen. Zum Beispiel konnten so die wuchtigen Flügelspieler einige Male nach einer Ablage oder Verlagerung auf Dynamos Kette zu gehen oder die Schnittstellen attackieren.

Darmstadts angepasste Offensivformation, Dynamos Defensivformation – Bewegungen der Stürmer für Tiefe und Raum.

Zudem fokussierten die Hessen den Raum zwischen den Dresdner Innen- und Außenverteidigern. Die etwas tiefer stehenden Breitengeber sollten Dynamos Außenverteidiger zum weiträumigen Rausrücken locken. Dynamos Mittelfeld war schließlich durch die zentral positionierten Außenverteidiger Darmstadts gebunden. Der hinter den Außenverteidigern entstehende Raum wurde dann entweder durch unterlaufende Bewegungen der zuvor eingerückten Außenverteidiger im Halbraum oder durch diagonale Läufe in die Tiefe durch Darmstadts Stürmer attackiert. (Letzteres konnte zudem situativ wieder zentrale Räume für Pfeiffer öffnen.)

Darmstadts Offensivformation, Dynamos Defensivformation – Raum hinter dem Außenverteidiger.

Dynamos starke Defensivleistung

Ich könnte mir vorstellen, dass gerade letzteres gegen eine Raute noch häufiger und besser funktioniert hätte. Insgesamt konnte die SGD den Gegner aber gerade in der ersten Hälfte nur auf einige wenige gefährliche Szenen beschränken. Dabei half das 442-Pressing und die damit einhergehende bessere Kontrolle auf dem Flügel. Genauso war die sowohl individuell als auch kollektiv kluge Ausführung dessen entscheidend. Meist stimmten Positionierungen und Anlauf- (bei Pässen in den Block, aber auch z. B. bei Rückpassen und geschlossenen Stellungen, woraufhin man aufrückte) bzw. Verschiebebewegungen. Man verteidigte aufmerksam nach vorn und brachte die gewohnt hohe Intensität aufs Feld.

So stellte man gute Kompaktheit im Zentrum und der ballnahen Seite her, schloss potenzielle Kombinationsmöglichkeiten und erzielte wichtige Ballgewinne, wurde der Ball doch gespielt. Auch Situationen über die Darmstädter Stürmer verteidigte man spätestens in der Box durch aktives Rückzugsverhalten und eine gewohnt stabile Endverteidigung. (Andererseits hätte Darmstadt Dynamo in der ersten Hälfte für meinen Geschmack auch noch etwas häufiger in Bewegung bringen können. Ab und an nutzte man schon Verlagerungen auf den ballfernen Breitengeber, in diesen Situationen verschob Dynamo aber gut. So hätte man vielleicht noch häufiger zentrale Lücken im Pressing der SGD oder 1v1-Situationen auf dem Flügel finden können.)

Hier noch eine zusätzliche Szene, die ich spannend fand (30. Min.): Das einzige Mal, dass Darmstadt ihre zentrale Überzahl gefährlich nutzen kann, indem sie sich zentral sehr klug in den Schnittstellen positionieren. Nach dem Pass auf die Sechs schließt Dynamo nicht rechtzeitig, sodass die mittlere Pressinglinie über den Halbraum überspielt werden kann. Von dort startet eine dynamische Aktion über Darmstadts Flügel.

Dynamos gefährlicheres Umschalten

Aus jenen Ballgewinnen galt es aus Dynamo-Perspektive dann, selbst Torgefahr zu kreieren. In solchen Umschaltsituationen machte die SGD einen besseren Eindruck als zuletzt. Neben der Quantität des Konterpersonals passten dieses Mal auch vermehrt die Entscheidungen des Ballführenden zu den Laufwegen der Mitspieler. Entscheidend war im Vergleich zum Spiel gegen Paderborn und Heidenheim, dass man neben dem Belaufen der Tiefe häufiger auf einen Verbindungsspieler setzte. Meist übernahm diese Rolle Daferner, der sich vor der letzten Reihe Darmstadts positionierte und denn Ball klatschen ließ und/ oder nach vorn gerichtete Verbindungen zu den Tiefenläufen schuf.

Auch die Besetzung der Flügel mit den kreativen Spielern Weihrauch und Batista Meier und ein in diesem Spiel robuster Königsdörffer wirkten sich positiv auf die Entscheidungsfindung in diesen Situationen aus. Es klappte aber natürlich auch nicht alles. Auch weil Darmstadts Restverteidigung stabil agierte (Patric Pfeiffer!). Dennoch war das Konterspiel der SGD in dieser Partie im Vergleich ein weiterer Schritt nach vorn.

Anpassungen in der zweiten Hälfte

In Hälfte 2 passte sich Darmstadt an das unerwartete Pressing der SGD an. Mit Müller kam ein besonders in der linken Innenverteidigerrolle spielstärkere Akteur in die Partie, mit Honsak ein direkter, zielstrebiger Flügelstürmer. Das ging einher mit einer strukturellen Änderung.

Darmstadt baute nun häufiger aus einer 442-Staffelung auf. (Wobei situativ auch der 3er-Aufbau weiter auftrat.) Dabei standen im Aufbau beide Außenverteidiger etwas tiefer (und weiterhin nicht maximal breit), beide Sechser innerhalb Dynamos kompakten Zentrums. Damit band man die Dresdner Flügel Weihrauch und Batista Meier in zentraleren Räumen und lockte situativ auch Dynamos Doppelsechs aus Stark und Kade etwas heraus. 

Darmstadts Offensivformation, Dynamos Defensivformation – HZ2 bringt mehr Direktheit und 1v1.

Das kreierte etwas mehr Raum und Zeit in der Breite und ab und an auch zwischen den Linien, was Darmstadt mit einem nun noch etwas direkteren Ansatz bespielte. Die Muster im Übergangsspiel blieben dabei ähnlich wie in der ersten Hälfte. Viel Fokus lag auf 1v1-Situationen auf dem Flügel und klugen Bewegungen beider Stürmer im Raum zwischen den Linien oder hinter dem herausgerückten Außenverteidiger. Dabei zeichnete sich Darmstadts Spiel durch bemerkenswerte Wucht und Dynamik aus, die Dynamo trotz insgesamt ordentlichem Defensivverhalten situativ Probleme bereitete.

Spannende Schlussphase

Dennoch konnte auch die SGD in der zweiten Spielhälfte weiterhin Torgefahr kreieren. Das Spiel entwickelte sich durch Darmstadts direkteren Ansatz und die fortgeschrittene Zeit im Allgemeinen zu vermehrtem „Chaos”. Umschaltaktion reihte sich an Umschaltaktion, lange und zweite Bälle und Standards (Einwürfe!) gerieten zunehmend in den Fokus. (Etwas, womit beide Teams gut umgehen können.) 

Zuletzt schlichen sich auch bei beiden Teams vermehrte Ungenauigkeiten ein. Ungenügendes Freilaufverhalten und unkonzentriertes Passspiel im Aufbau waren beispielsweise Aspekte, die einige Umschaltsituationen verursachten. So kreierten beide Teams einige gefährliche Aktionen, bei denen es letztlich Darmstadt gelingt, noch das entscheidende Tor zu erzielen.

Fazit

Am Ende hätte dieses Tor aber genauso auch auf der anderen Seite fallen können. Trotz des Ergebnisses war diese Partie für Dynamo insgesamt – innerhalb der Schmidt-Idee und deren bekannten Limitationen (!) – ein weiterer Schritt nach vorn. Gegen ein Topteam agierte man defensiv weitgehend stabil. Zudem agierte man durch passendere Abläufe in Umschaltaktionen torgefährlicher als zuletzt. Die bestehenden Schwächen im Spiel mit Ball (Positionsspiel, Abläufe und Prinzipien im Kombinationsspiel, etc.) wurden zwar wiederum deutlich, prägten dieses spezielle Spiel jedoch weniger.

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