SG Dynamo Dresden – SV Sandhausen und St. Pauli: Spielanalyse

Plakativ gesagt haben wir als Dynamo-Fans eine wahre Woche des Grauens hinter uns. Gerade eine solche Phase verlangt eine umfassende Einordnung, um die Entwicklung von Verein und Mannschaft im Blick zu behalten. Ich versuche mich mal daran. Lasst auch gern eure Ansichten mit hinzu. 

Das Pokalspiel gegen den FC St. Pauli

Da seitdem schon ein paar Tage vergangen sind, einige lesenswerte Spielanalysen erschienen sind und das Spiel gegen Sandhausen vermutlich etwas erkenntnisreicher war, möchte ich hier zunächst nur grob auf das Pokalspiel gegen Pauli eingehen. Jene, die sich für einen ausführlichen taktischen Bericht interessieren, verweise ich gern an den Hamburger Millernton-Blog.

Im Sinne eines Überblicks können wir dennoch diesbezüglich folgendes zusammenfassen: Dynamo hat gegen Pauli keineswegs kompletten und langfristig vielversprechenden Fußball gespielt. Jedoch war man mit einem besonderen Matchplan des Trainerteams gut auf die gewohnt starke Hamburger Mannschaft eingestellt. So war man in der Lage, den Gegner auf ein Minimum an Torgefahr zu reduzieren und das Spiel knapp zu gestalten. Am Ende sind es Kleinigkeiten, die solch ein Spiel entscheiden, die zudem nicht immer direkt taktischer Natur sind. Am Ende hätte das Pokalspiel in beide Richtungen kippen können. Insgesamt habe ich aber eine stabile Basis auf Dynamo-Seite gesehen, genau wie in den letzten Wochen zuvor. Auch wenn man dieses Mal etwas Glück mit dem Spielverlauf hatte (schnelle Tore nach Gegentoren), sah man wieder einmal Ansätze, die zumindest so stabil aussahen, dass man sich mittelfristig (diese Saison als Zeithorizont) keine großen Sorgen machen müsste.

Spiel gegen den SV Sandhausen

Genau das habe ich ja versucht, in den letzten Wochen immer wieder zu betonen. Trotz der fehlenden Ergebnisse habe ich zumindest eine taktische Basis erkannt, mit der man mindestens einigen Gegnern der zweiten Liga überlegen sein müsste und sich daher mittelfristig keine Sorgen machen muss. In meinem Kopf war Sandhausen genauso ein Gegner.

Dynamos Matchplan und gute Ansätze

Zu Beginn des Spiels gegen den SVS am Samstagabend bestätigte sich diese Ansicht. Sandhausen agierte in dem Schwartz-typischen, klassischen 442/4231 mit Fokus auf das Pressing und einigen Limitationen im Spiel mit Ball. Im direkten Vergleich sah man dann in den ersten 20 Minuten schon, dass Dynamo insgesamt taktisch etwas gereifter und kompletter ist. 

Auch in diesem Spiel verfolgte die SGD wieder einen Matchplan, den ich für schlüssig hielt. Ohne Ball formierte man sich in einem 343-Mittelfeldpressing, um auf letzter Linie Überzahl gegen die vier hohen Angreifer des Gegners zu haben und gleichzeitig das Zentrum mit den Deckungsschatten der offensiven Spielern zu schließen. So lockte man den SVS in etwas höhere Zonen, ohne dass man selbst gefährliche Situationen zuließ. Dafür verteidigte Dynamo zu gut und agierte Sandhausen mit Ball zu limitiert (geringes Tempo, lange Bälle, longline-Bälle). Zudem öffnete man so potenzielle Räume hinter der Sandhausener Abwehrkette, die man nach einem Ballgewinn bekontern hätte können. 

Dynamos Mittelfeldpressing #1 – 3421-Struktur

Im Spiel ohne Ball trat anfangs in dieser Hinsicht zwar ein kleines Zuordnungsproblem auf den Flügeln auf, den Dynamo nur einfach, Sandhausen jedoch doppelt besetzte. Doch durch eine schnelle Umstellung auf eine 3142-Struktur, verbunden mit der Anweisung, dass Dynamos Achter die gegnerischen Außenverteidiger anlaufen, löste man dies aber schnell. 

Dynamos Mittelfeldpressing #2 – Zuordnungsproblem bei doppelter Flügelbesetzung des SVS, 5er-Kette hätte sich leicht aufgelöst.
Dynamos Mittelfeldpressing #3 – 3142 statt 3421, 8er läuft gegnerischen AV an.

Auch im Spiel mit Ball erkannte man den Willen, spielerische Lösungen zu finden. Was genau der Plan war, ließ sich nur selten erkennen, individuelle Lösungen von Einzelspielern kreierten in dieser Phase jedoch durchaus einige gute Durchbrüche. Grundsätzlich vermute ich, dass man den Gegner durch Spielaufbau in den tiefen Zonen anlocken und dann mit Chipbällen auf AV oder Stürmer überspielen wollte. Teils fehlte dabei jedoch das Tempo und die Genauigkeit im Kombinationsspiel.

Dynamos grundlegende Ballbesitzstruktur zu Spielbeginn – Anlocken und Überspielen.

Das einzige Muster, was ich zumindest drei/ vier Mal sehen konnte, war das Öffnen des Zwischenlinienraums im gegnerischen 442-Block: In Dynamos 3142-Struktur wurden Sechser Stark und Achter Kade und Herrmann mannorientiert durch den Gegner verfolgt. Während sich diese vergleichsweise tief positionierten und die Außenverteidiger Löwe und Schröter die Breite hielten, zog man so das gegnerische Mittelfeld heraus. In den Raum dahinter ließ sich Mörschel einige Male fallen, sodass ihn die andribbelnden Halbverteidiger Akoto und Aidonis dort anspielen und er aufdrehen konnte. (Deswegen spielten übrigens Akoto und Aidonis in der Verteidigung. Der Plan schien gewesen zu sein, Sandhausen mit Ballbesitz zu bespielen. Gerade den Halbverteidigern kam dabei große Bedeutung zu. Mai wäre da zu limitierend gewesen. Nach der gelben Karte für Aidonis war der Wechsel auf ihn in HZ2 dann aber folgerichtig, um defensiv in den Testroet-Duellen sicher zu stehen.)

Dynamos Ballbesitzstruktur – ein Übergangsmuster mit Öffnung des Zwischenlinienraums.

Nichtsdestotrotz blieb auch zu Beginn dieses Spiels das letzte Drittel ein großes Problem. Schon in den letzten Wochen haben wir immer wieder gesehen, dass Dynamo während der Chancenerarbeitung in dieser Zone sehr selten variantenreich agiert, sich zu häufig auf die Außen drängen lässt und von dort dann selten gefährliche Halbfeldflanken schlägt. Genau das erkannte man auch wieder gegen Sandhausen, was vor allem unglücklich war, da der Gegner gute individuelle Qualität in der Abwehrkette mitbringt, gerade was die Endverteidigung der Box angeht.

Anpassungen in HZ1

Auch wenn diese Ansätze nicht super besonders waren, machte Dynamo in dieser Phase einen souveränen Eindruck und zeigte einen Plan für dieses Spiel. Defensiv stand man sicher (auch wenn, klar, der Gegner auch nicht viel anbot), offensiv agierte man zumindest etwas verbessert als in den letzten Wochen (auch wenn das auch nicht schwer ist, auch klar).

Im Laufe der ersten Halbzeit ließ sich Dynamo jedoch von diesem Plan abbringen. Immer häufiger formierte man sich statt in dem anfänglichen 3142 in einer 433-Struktur mit einem vermehrt aufrückenden Schröter. Das machte es Sandhausen einfacher, Dynamos Ballbesitzversuche zu verteidigen. Dynamos Abstände wurden größer, der Gegner konnte einfacher in den Mannorientierungen pressen. Daher spielte die SGD nun auch vermehrt lange Verzweiflungsbälle, ohne dass diese wirkliche Torgefahr in Richtung letztes Drittel erzeugten. Ferner führten die großen Abstände auch zu weniger Spieldominanz im Allgemeinen, da diese dem Gegenpressing nach Ballverlust nicht gut taten.

Dynamos neue Ballbesitzstruktur – 433.

Warum man diese Anpassung traf, kann ich mir nicht erklären. Ich weiß nicht, ob das Anweisung vom Trainerteam oder Ergebnis der Spieldynamik war. In beiden Fällen würden mich die Gründe interessieren. Fest steht: Damit begannen Dynamos Probleme.

HZ2 mit Gegentor und großer Unsicherheit

Meiner Meinung nach hätte man in Halbzeit Zwei wieder zu dem anfänglichen Plan zurückkehren sollen. Anstatt das zu tun, agierte Dynamo nun aber endgültig wieder aus der klassischen Rautenstruktur heraus. Die Gründe hierfür würden mich auf jeden Fall interessieren. Auf jeden Fall war diese Struktur der Grund, warum die Dresdner sich auf das Sandhausener Spiel herunterziehen haben lassen. Man machte dem Gegner so das Verteidigen leichter, erschwerte sich selbst kontrollierte Kombinationen, spielte selbst lieber schnell lang. Ähnliche Probleme wie sonst auch.

Besonders problematisch wurde dies dann, als man nach einem Standard das Gegentor kassiert. Defensiv stand man bis dahin sicher, nach einer kleinen Unaufmerksamkeit veränderte sich jetzt der Spielverlauf in eine für die Dresdner Spielanlage ungünstige Richtung (auch das kennen wir aus den letzten Wochen).

Was es nun gebraucht hätte, sind Ruhe und Kontrolle verbunden mit einer klaren Idee, wie man in Ballbesitz den tiefen Sandhausener Block knackt und Torgefahr kreiert. Bezugnehmend auf die schon zuvor stattgefundene Veränderung der gesamttaktischen Struktur entwickelte sich Dynamos Spiel jedoch genau in die andere Richtung. Ohne klar erkennbaren Plan lief man kopflos an. Das verschlimmerte sich zudem im Laufe der Spielzeit mit der zunehmenden Ungeduld und Frustration der Mannschaft, was zu Ungenauigkeit und zu vielen schlecht vorbereiteten langen Schlägen ohne viel Torgefahr führte. 

Fazit

So sind am Ende auch die verbleibenden personellen Wechsel nicht mehr so relevant. Ist keine allgemeine Struktur oder Idee da, macht es keinen großen Unterschied, wer genau wo agiert. Individuelle Glanzmomente hätten die SGD vielleicht noch einmal zurückgebracht, man hatte ja noch ein/ zwei Chancen, am Ende verliert Dynamo aber aufgrund gesamttaktischer Fehler verdient – man hätte sich deutlich mehr Chancen erspielen müssen.

Meiner Meinung nach war das eine vermeidbare Niederlage. Gegen einen keineswegs starken, geschweige denn kompletten Gegner, verliert man schlicht komplett den eigenen roten Faden. Defensiv sind es letztendlich wieder Kleinigkeiten, offensiv die strategischen Schwächen, die zu der Niederlage führen.

Ist Trainer Schmidt der Richtige? 

Um sich mal an diese Frage heranzutrauen und die aktuelle Ergebniskrise einzuordnen, möchte ich – anders als in den letzten Wochen – noch einmal komplett ausholen. Die entscheidende Frage ist folgende: Passt die Spielidee von Alexander Schmidt zur aktuellen Situation der SGD?

Ich würde sagen: Komplett ist die Spielidee definitiv nicht. Schmidt denkt primär defensiv, im Spiel mit Ball hat Dynamo noch deutlich Verbesserungsbedarf, das haben wir schon die gesamte Saison herausgearbeitet. Doch in den anderen strategischen Spielphasen hat es Schmidt meines Erachtens nach geschafft, eine eigentlich sehr stabile und proaktive Basis aufzubauen (was ihn im Vergleich zu anderen Defensivtrainern positiv abhebt). Wie auch schon bezüglich des Pauli-Spiels angemerkt: Mit dieser Basis sollte man normalerweise schon besser sein als mindestens drei Gegner der Liga. Deswegen sollte man mit dieser Spielidee mittelfristig schon die Klasse halten können.* 

Da man aber nicht komplett ist, bleibt man abhängig von Gegner, Spielverlauf, individueller Klasse, etc. Wenn dann all das zusammenkommt, bekommt man schnell Schwierigkeiten, auch das haben wir in den letzten Wochen gesehen. Kleine Fehler wie das Gegentor gegen Sandhausen können so dann schwerwiegende Auswirkungen haben.

Ganz langfristig gedacht, muss man sich daher natürlich noch deutlich weiterentwickeln und kompletter werden. Langfristig muss sich Schmidt deswegen auch an der Implementierung von sinnvollen Ballbesitzkonzepten messen lassen. Ob das in den kommenden Wochen/ Monaten klappt, kann ich nicht vorhersehen. Was mich positiv stimmt, sind aber die immer mal wieder aufblitzenden Ansätze im Spiel mit Ball, die man im Laufe der Saison schon manchmal beobachten konnte. Wie lange so etwas dauert, kann ich ebenfalls nicht konkreter sagen – das hängt stets vom Vereins- und Mannschaftskontext ab, in den wir nicht genau Einblick haben. Klar, mit jedem Spiel ohne deutliche Entwicklungsschritte wird der Optimismus natürlich aber auch immer kleiner.

Aufgrund der kurz-/mittelfristigen Aussicht plus dieser Ansätze denke ich persönlich dennoch, dass Schmidt für die aktuelle Situation im ersten Jahr nach dem Aufstieg sehr gut zur SGD passt. Daher sollte man ihm meines Erachtens nach definitiv die Entwicklungszeit geben. Ob es ganz langfristig immer noch passt, muss sich dann zeigen.

*Für die mittelfristige Entwicklung in dieser Saison muss man dann jedoch aber auch die angesprochene stabile Basis gerade gegen solche Gegner auf den Platz kriegen. Das war zumindest gegen Sandhausen nicht der Fall. In dieser Hinsicht wird dann einfach die weitere Entwicklung entscheidend. Ich stimme Schmidt zu, dass trotz dieser Partie noch nichts Extremes passiert ist (wie z. B. fünf nacheinanderfolgende Partien, ohne jegliche vielversprechende taktische Basis). Das war nun das erste richtig schwache Spiel. Ob so etwas zukünftig in den kommenden Wochen passieren wird, wird sich zeigen. Ich glaube es nicht, verstehe aber auch pessimistischere Denkweisen. Am Ende wird genau das entscheiden, wo der Weg hingeht.

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