SG Dynamo Dresden – FC Ingolstadt: Spielanalyse

Spitzenreiter! Dynamo Dresden gewinnt das erste Spiel der Saison 2021/22 souverän gegen den Mitaufsteiger aus Ingolstadt. Wie kommt das zustande? Hier sind einige taktische Beobachtungen.

Die Ausgangslage

Für uns Außenstehende schien der FCI vor dem Spiel wie eine Wundertüte, gerade auch aufgrund eines Trainerwechsels während der Sommerpause. Nicht jedoch für Alexander Schmidt und sein Trainerteam: Ihnen war klar, dass der Gegner primär ein Pressingteam ist. Sie erwarteten Ingolstadt in einem 4222 und wussten, dass sie die Dresdner hoch anlaufen würden. Was macht man nun dagegen?

Aufstellung und Matchplan

Wie Schmidt normalerweise spielen lässt, wissen wir (bzw. können wir in den letzten Blogbeiträgen zur Saisonvorschau nachlesen). Von seiner grundlegenden Strategie und den dahinter steckenden Prinzipien (hohes Pressing, Intensität, Vertikalität etc.) wich er auch für dieses Spiel nicht ab. Jedoch: Er verfolgte innerhalb dieses Rahmens einen spezifisch auf den Gegner angepassten Matchplan. Er veränderte Details in Grundordnung und Abläufen, um der Ingolstädter Taktik entgegenzuwirken. 

Offensichtlich wurde dies schon mit der Aufstellung oder spätestens in den ersten Minuten. Statt einer klaren Raute spielte Dynamo in Ballbesitz nun mit Christoph Daferner im Sturmzentrum. Dort agierte er nicht wie ein gewöhnlicher 10er zwischen den Linien sondern band meist beide Innenverteidiger mit einer hohen Position mit Rücken zum Tor. So sah das diesmal eher wie eine 433-Struktur aus (auch wenn die Zahlen nicht so wichtig sind).

Letztendlich veränderte das nur Details, diese waren aber entscheidend in der Entwicklung des Spiels. Wenn Dynamo hoch angelaufen wurden, drückte man die gegnerische 4er-Kette durch die breite und hohe Positionierung der drei Stürmer weit zurück. Weil die Außenverteidiger sich daher nicht zu weit herauslocken lassen wollten, entstanden zwei vorteilhafte Aspekte für die SGD: Zum einen hatte man mit der 4er-Kette und den drei Mittelfeldspielern stets Überzahl beim Spielaufbau in tiefen Zonen, konnte so häufig einen freien 8er oder Außenverteidiger finden und damit letztendlich das hohe Pressing überspielen. Dabei half zum anderen, dass der Raum zwischen Ingolstadts Verteidigung und Angriff so groß wurde, dass sich die 6er nicht trauten, herauszurücken und Dynamo unter Druck zu setzen. So konnte man zu Beginn einige Male dynamische Durchbrüche im Zentrum erzeugen, nur im letzten Drittel fehlte es an Präzision und Abstimmung.

Angriffspressing des FCI und Dynamos Aufbaustruktur – Überzahl in tiefen Zonen und viel freier Raum im Zentrum.

Diese Vorteile im Spiel mit Ball wurden des Weiteren durch das Pressing der SGD quantitativ verstärkt. Man lief Ingolstadt in einer asymmetrischen Struktur mannorientiert an und konnte so viele lange Bälle erzwingen. Ingolstadt hatte ab und zu mal einige wenige erfolgreiche Aktionen, sowohl in Situationen, in denen sie den eigenen Außenverteidiger frei spielen konnten, als auch vereinzelt im eigenen Pressing. Im Großen und Ganzen waren sie jedoch taktisch deutlich unterlegen.

Angriffspressing der SGD – Asymmetrische Mannorientierungen.

Ingolstädter Anpassung und Dresdner Ballbesitz

Diese Probleme brachten Ingolstadt dazu, auf ein klassisches und vorsichtigeres 442-Mittelfeldpressing umzustellen. Das brachte Mitte der ersten Halbzeit durchaus etwas Stabilität. Nichtsdestotrotz war Dynamo in der Lage, mit klaren Ideen dieses Block zu durchbrechen und Chancen zu kreieren. 

Im tieferen Aufbau bewegte man sich zunächst sehr flexibel, gerade auf der linken Seite. Dabei wurden spannende Positionsrochaden von Löwe, Kade und Borrello ersichtlich. Ersterer blieb im Gegensatz zu Schröter häufig etwas tiefer und zentraler, während Kade und Borrello abwechselnd die Breite bzw. den hohen Halbraum besetzten. Damit war definitiv eine gute Ballzirkulation gegeben, die auch von dem über das ganze Spiel starke Gegenpressing nach Ballverlust getragen wurde. Doch für klare Torchancen brauchte es noch eine kleine Anpassung. Borrello begann circa ab Minute 30, konstanter minimal breit zu stehen, womit er den Gegner auseinanderzog und so Passwege und Kombinationen im Zentrum ermöglichte.

Eine mögliche Kombination gegen den tiefen Block – Dynamos breite Flügel und Achter ziehen ihre Gegenspieler auseinander, Daferner kann sich in den offenen Raum fallen lassen.

Das 1:0 durch Christoph Daferner

Kurz vor der Halbzeit fällt dann das 1:0 für die SGD. Aufgrund der Dominanz letztlich verdient, auch wenn es nicht nach einer Ballbesitzphase fällt. Nach souveräner Zweikampfführung von Sollbauer, schaltet man Schmidt-typisch schnell um und attackiert sofort die Tiefe. Schröter kann nun seine Dynamik und Flankenstärke ausspielen, Daferner agiert zudem klug im Zentrum.

Hälfte 2 mit Panagiotis Vlachodimos 

In der Halbzeit war nun klar, dass Ingolstadt wieder etwas höher anlaufen wird, um dadurch Torgefahr zu kreieren. Dynamos Personal- und Taktikanpassungen waren daher wiederum sinnvoll. Mit Vlachodimos brachte Schmidt einen direkten Flügelstürmer, der gern die Tiefe attackiert und deutlich fitter als Königsdörffer erschien. Gegen die nun höher stehenden und aggressiver herausrückenden Gegner ergab sich nun viel Raum hinter der letzten Kette, den er attackieren konnte. Dynamo agierte nun wieder etwas mehr mit den rautentypischen Kombinationen: Daferner ließ sich häufig etwas zwischen die Linien fallen, zog so einen Innenverteidiger heraus und konnte den so entstehenden Raum dann über die klassischen Steil-Klatsch-Tief-Kombinationen bespielen. Einige Male ergaben sich dabei Räume für Vlachodimos – am Ende erzielt Dynamo dann auch das 2:0 auf diese Art und Weise.

Mögliche Rautenkombination #1: Entgegengesetzte Bewegungen mit Tiefenlauf.
Mögliche Rautenkombination #2: Steil-Klatsch-Tief oder Verlagerung.

Ungenaues Pressing und wichtiges Tor

Danach stellte sich bei Dynamo meines Erachtens nach etwas der Schlendrian ein. Einige Male klappte das hohe Angriffspressing nicht zu 100%. Mörschel auf der 8 oder auch Hosiner in der Offensive fanden nicht immer die richtige Positionierung, standen teils zu hoch oder zu tief oder gingen die Wege nicht komplett mit. Da war ich froh, dass man durch eine Einzelaktion im Konter das 3:0 erzielen konnte. Sonst hätte das durchaus noch knapper werden können.

Nach dem dritten Tor war das Spiel dann aber gelaufen. Dynamo ließ den Ball kontrolliert in tiefen Zonen laufen und ging weniger Risiko. Das imponierte mir, denn solch eine abgezockte Performance habe ich bei Dynamo lange nicht gesehen.

Fazit

Insgesamt war das damit ein wirklich starkes Spiel der SGD. In allen Spielphasen, besonders überraschend im Spiel mit Ball und dem Gegenpressing, agierte man mit einem klaren Plan und war auch in der Lage, diesen umzusetzen. Jedoch gilt es auch einzuordnen, dass der Gegner Ingolstadt in allen Belangen verwundernswerterweise wenig souverän und flexibel agierte. Es wird daher spannend, wie sich Dynamo in den kommenden Wochen gegen andere Kaliber schlagen wird.

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