SG Dynamo Dresden – SC Paderborn: Spielanalyse

In einem intensiven und emotionalen Pokalspiel gelingt es der SG aus Dresden, den zuvor etwas höher eingeschätzten Zweitligisten aus Paderborn zu schlagen. Nicht unverdient, wenn man den Spielverlauf betrachtet. Hier ist ein grober taktischer Bericht.

Eine ausgeglichene erste Hälfte

Für mich ist es schwierig, die erste Halbzeit dieses Spiels in noch kürzere Phasen zu unterteilen. Zu ähnlich verliefen die gesamten 45 Minuten – auf beiden Seiten. Dynamo und Paderborn starteten in das Pokalspiel mit einem ganz klaren strategischen Fokus: hohes Pressing. Für beide Trainer typisch liefen die Teams den jeweiligen Gegner am gegnerischen Strafraum und – gerade auf Dresdner Seite – mit brutaler Intensität an. Ziel war, direkt Ballgewinne in hohen Zonen zu erzwingen, danach schnell umzuschalten und so Torgefahr zu erzeugen. Ersteres klappte auf beiden Seiten sehr gut.

Paderborns Pressing

Zum einen gelang es Dynamo selten, das Spiel geordnet aufzubauen. Das lag zunächst über weite Strecken an dem hohen und mannorientierten Angriffspressing des Gegners. Aus dem nominellen 433 bewegte sich Paderborn in eine 3412-artige Struktur, um die Anspielstationen für Dynamo im 433 1v1 zuzustellen. Dafür rückte der rechte Flügelstürmer Pröger etwas tiefer, um Linksverteidiger Löwe zu kontrollieren. So konnte zudem der Außenverteidiger Schuster auf dieser Seite einrückend agieren, sodass schließlich jedem Einzelspieler ein Dresdner Akteur gegenüberstand.

Pressingstruktur des SCP – Manorientiertes Angriffspressing.

 

In Anbetracht der noch bestehenden Limitierungen des Dresdner Ballbesitzspiels unter Schmidt, der jenes selten in den strategischen Fokus stellt und eher auf einfache, direkte Lösungen setzt, war so auf Paderborner Seite nicht einmal große Intensität vonnöten, um Ballgewinne erzielen zu können. Vielmehr führte jene Struktur dazu, dass Dynamo im Aufbau große Abstände zwischen den eigenen Spielern hatte, diese zudem zugestellt waren und damit am Ende häufig nur ein langer Ball blieb. Dabei half die enge Struktur der fünf offensiven Akteure der SGD durchaus das ein oder andere Mal, doch insgesamt konnte man auf Dresdner Seite im Spiel mit dem Ball wenig Strukturiertes beobachten.

Dynamos Pressing

Im Gegensatz zu Dynamo ist Paderborn grundsätzlich ein Team, welches durchaus hohen Wert auf spielerische Lösungen in Ballbesitz legt. Das konnte man auch in diesem Spiel beobachten. In einem 343, in dem sich Sechser Schallenberg gerade zu Beginn häufig zwischen die Innenverteidiger fallen ließ, agierte man stets mutig, versuchte stets flache und progressive Kombinationen zu spielen. Gegen das starke Pressing der SGD lief dies aber häufig ins Leere. 

Auch die SGD lief den Gegner schon an dessen Strafraum an, agierte aber aus dem typischen Mix aus 433 und 4Raute2. Die 4er-Abwehrkette sicherte hinten ab, um gegen die drei Paderborner Stürmer stets in Überzahl zu bleiben. Vorn liefen die drei Stürmer die gegnerischen Innenverteidiger und Sechser an, wobei vor allem im Fokus stand, Schallenberg durch Manndeckung von Daferner aus dem Spiel zu nehmen. Das Spiel sollte so auf die Flügel gelenkt werden, wo dann der ballnahe Achter den Ballführenden anlaufen und das gesamte Team aggressiv zuschieben sollte. Im Gegensatz zum Spiel gegen den HSV setzte man diesen Plan, der hohe Laufbereitschaft verlangte, über weite Strecken, gerade während des sehr intensiven Beginns des Spiels, sehr gut um. Das Anlaufen, Zuschieben und Durchschieben des gesamten Teams und gerade der Mittelfeldspieler wurde mutig und aggressiv ausgeführt und klappte daher letztendlich häufig.

Pressingstruktur der SGD – Hohes Angriffspressing. Hier interessant: Struktur leicht asymmetrisch dargestellt, da SCP-Aufbau sehr linksfokussiert war und sich Kade daher oft schon optionsorientiert zwischen AV und 6er positioniert hat, um den Anlaufweg zu verkürzen.
Beispielhafte Pressingszene nach Ball auf AV und Verschieben der SGD.

 

Probleme bekam Dynamo tatsächlich nur in einigen wenigen Situationen. Paderborn war nur in der Lage, das starke Pressing in zwei Fällen zu überspielen. Einerseits, wenn die SGD individuelle Fehler machte. Passte beispielsweise eine Anlauf- oder Verschiebebewegung nicht zu 100%, kam zu früh oder zu spät, verlor man die Kontrolle. Andererseits, wenn die individuelle Spielstärke des Paderborner Aufbaupersonals aufblitzte. Sechser Thalhammer habe ich in dieser Hinsicht beispielsweise noch im Kopf, der sich einige Male durch kluge Positionierung, Körperfinten und kleine Dribblings dem Druck entziehen konnte. Nichtsdestotrotz: Über weite Strecken passierte das der SGD nicht. Über die gesamte Zeit, gerade in der Anfangsphase, war man vielmehr in der Lage, vielversprechende Ballgewinne mit Perspektive Torgefahr zu erzielen. Doch letzteres klappte nicht. Warum?

Ungenauigkeit im Ballbesitz

Die SGD und auch Paderborn agierten in der ersten Halbzeit des Pokalspiels extrem ungenau, wenn man den Ball am Fuß hatte. Sowohl im Umschaltspiel als auch im (nur phasenweise zu beobachtenden) Ballbesitz fehlte schlichtweg Präzision und Timing. Gewann Dynamo den Ball, fand man selten die passende Anschlussaktion. Der Tiefenlauf kam zu früh, der Steckpass zu spät oder das Paderborner Gegenpressing gewann den zweiten Ball. Startete Paderborn eine offensive Umschaltbewegung, verloren auch sie den Ball spätestens vor dem Dresdner Strafraum.

Bis auf einige wenige Chancen war dieses Pokalspiel in der ersten Hälfte damit insgesamt von hoher Intensität und starkem Pressing geprägt, währenddessen dennoch keine Torgefahr zustande kam. Bis dahin war das ein ausgeglichenes Spiel, auch wenn Dynamo die fehlende Struktur tendenziell eher gelegen haben dürfte als dem Gegner.

Dynamos verbessertes Umschaltspiel

In Halbzeit Zwei entwickelte sich dann aber doch etwas mehr Torgefahr – wiederum auf beiden Seiten. Zunächst begann die SGD mit einigen sehr vielversprechenden Chancen. Dafür waren kleinere Anpassungen verantwortlich, die das Dresdner Umschaltspiel deutlich klarer und zielstrebiger machten. Beispielsweise agierte Königsdörffer nun situativ etwas breiter, um den Halbraum hinter der letzten Kette zwischen Innen- und Außenverteidiger besser belaufen und dort seine Dynamikvorteile ausspielen zu können. Insgesamt verbesserte sich Timing und Abstimmung, was in Chancen von u. a. Borrello mündete.

Entscheidende Paderborner Anpassungen

Doch auch der SCP war nun häufiger in der Lage, gefährlich vor das Tor von Kevin Broll zu gelangen. Zu Beginn war dies in der immer weiter schwindenden Intensität der Dresdner begründet. Später stellte Trainer Kwasniok auch strukturell einiges um. Nun begann Paderborn, die SGD erst kurz nach der Mittellinie in einer 4231 statt einer 343-Grundordnung anzulaufen. Was bedeutete das?

Dynamo musste nun das Spiel aufbauen, Paderborn konnte umschalten – die Ballbesitzwerte der SGD müssen Mitte der zweiten Hälfte deutlich höher gelegen haben als zuvor. So verschieb sich der strategische Vorteil in Richtung Westfalen. Problematisch für Dresden und vorteilhaft für Paderborn war dabei, dass Erstere immer noch keine Lösungen für das Spiel mit Ball hatten. Der SCP schloss das Zentrum und wartete ab. Dynamo hatte zwar den Ball, zeigte jedoch keine klare Idee, was sie damit vorhatten. Vielmehr agierte man sehr unruhig und hektisch, schlug viele lange Bälle und verlor diese wiederum sehr schnell.

Pressingstruktur des SCP #2 – enges Mittelfeld verhindert Dynamos Kombinationen und gewinnt viele zweite Bälle.

 

So war der SCP in der Lage, den Ball immer häufiger in dem Bereich um die Mittellinie zu gewinnen. Man lockte den Gegner zudem etwas weiter aus den tiefen Ausbauzonen, sodass die Möglichkeiten nun groß waren, über die Stürmer den Raum hinter der letzten Kette und zwischen Abwehr und MIttelfeld der Dresdner zu bekontern.

Beispielhafte Szene für das potenzielle Kontern des SCP nach Ballgewinn im 4231-MFP.

In den letzten Minuten stellte die SGD vermutlich auch deswegen, aber vor allem aufgrund fehlender Kräfte nochmal auf ein tieferes Mittelfeldpressing um. Doch auch da gelang es den Paderbornern mit ihrem zielstrebigen und mutigen Ballbesitzspiel, regelmäßig und gefährlich vor das Dresdner Tor zu gelangen. Aus dem 4231 konnte man sich dabei einige Male die Halbräume erschließen und so nach vorn kombinieren.

Pressingstruktur der SGD #2 – Systematische Darstellung. Die Dresdner 8er standen teils etwas zu hoch, sodass der SCP über dynamische vertikale Kombinationen v. a. in Richtung der zentralen Überladung des Zwischenlinienraums gefährlich werden konnte.

 

Fazit

Nichtsdestotrotz: Am Ende trifft Dynamo. Mit wunderbar anzusehenden Aktionen und klugen Läufen der involvierten Spieler schafft man es, in einer etwas schwächeren Phase, das Spiel auf den Kopf zu stellen und so zu gewinnen. Das ist am Ende meines Erachtens nach nicht unverdient, obwohl ich das Spiel insgesamt als durchaus ausgeglichen bezeichnen würde. Gegen einen starken Gegner bleibt bei Dynamo vor allem das smarte und sehr gut umgesetzte Pressing in Erinnerung. Langfristig gilt es, daneben die Schwächen im Ballbesitz im Kopf zu haben. 

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